Bangladesch ist ein überwiegend agrarisch geprägtes Land, aber gleichzeitig auch nach China der zweitgrößte Exporteur von Bekleidung weltweit. Mehr als 80 % seiner Exporte entfallen auf diesen Bereich und werden von wenigen kapitalistischen Konzernen aus den imperialistischen Ländern kontrolliert (Inditex-Zara, C&A, H&M, Primark, Walmart usw.). Das Land ist jeden Monat Schauplatz von Dutzenden von Streiks. Es hat in jüngerer Vergangenheit einen nationalen Befreiungskrieg erlebt. Seine Demokratie ist fragil, und das Militär hat häufig die Macht übernommen. Die Regierung, die gerade gestürzt wurde, die der Premierministerin Sheikh Hasina (Awami-Liga, AL, die wichtigste bürgerliche Partei, die sich als säkular ausgibt und für ein Bündnis mit Indien eintritt), war zunehmend korrupt, hatte Bündnisse mit islamistischen Parteien geschlossen und wurde immer autoritärer. Seit 2020 hat sich die Inflation verschärft (im Juli waren die Preise im Vergleich zum Vorjahr um 11,6 % gestiegen).
Die Proteste der Studierenden begannen am 1. Juli mit der Wiedereinführung einer 53 %-Beschäftigungsquote in öffentlichen Einrichtungen, die für Nachkommen der Teilnehmer am Befreiungskrieg von 1971 (Konflikt, der zur Abspaltung von Pakistan führte) reserviert war und 2018 unter dem Druck der Straße aufgehoben worden war. Die Regierung machte sich dadurch die einfachen Studierenden zum Feind. Die Proteste wurden von den „Studierenden gegen Diskriminierung“ (SAD), einer nicht gewählten Führung, angeführt. Am 15. Juli intensivierten sich die Demonstrationen in Dhaka, der Hauptstadt, und in allen großen Städten. Die Regierung schickte die Polizei, und die BCL (Bangladesh Chhatra League, die Jugendorganisation der Awami-Liga) griff die Studierenden an. Sechs Menschen wurden von der Polizei getötet und Dutzende verletzt. Am 16. Juli führte die Polizei Razzien in allen Universitäten des Landes durch. Das Militär übernahm in den fünf größten Städten des Landes die Kontrolle. Am 17. Juli ließ die Regierung alle Universitäten schließen. Am 18. Juli berichteten Nachrichtenagenturen, dass während dieser vier Tage 39 Aktivisten getötet wurden. Am 19. Juli ließ die Regierung das Internet abschalten, Fabriken schließen und verhängte eine Ausgangssperre. Infolge dieser Entscheidung kam es zu physischen Auseinandersetzungen zwischen den Studierenden und der Polizei, Polizeiwachen wurden angegriffen und in Dhaka wurde ein Gefängnis in Brand gesteckt.
Da es keine revolutionäre Partei gibt, die die breite Bevölkerung mobilisieren könnte, blieb die Führung der Studentenbewegung wahrscheinlich unter der Kontrolle der bürgerlichen Oppositionsparteien, der Bangladesh Nationalist Party (BNP, die Verbindungen zum Militär hat) und der Bangladesh Jamaat-e-Islami (BJI, die wichtigste islamistische Partei, die eine Rückkehr zu Pakistan befürwortet). Infolgedessen konnte sich die Studentenbewegung weder mit der Arbeiterbewegung zusammenschließen noch in Richtung eines Generalstreiks der Arbeiterinnen und Arbeiter entwickeln.
Am 21. Juli revidierte der Oberste Gerichtshof die Maßnahme und senkte die Quoten auf 7 %. Die Proteste gingen weiter und erfassten weit mehr als nur die Studierenden. Im Geheimen, um den bürgerlichen Staat zu retten, verhandelt der Generalstab mit den SAD. Am 5. August trat Premierministerin Hasina (AL) zurück und floh nach Indien, wie es der Premierminister von Sri Lanka, Rajapaksa (SLPP), 2022 tun musste. Insgesamt forderte die Repression 1.000 Tote und 10.000 Verletzte.
Am 5. August entließ der Armeechef Waker-uz-Zaman den ehemaligen Polizeichef und kündigte die Bildung einer Übergangsregierung an. Diese wird von einem bürgerlichen Ökonomen, Muhammad Yunus (84 Jahre), dem Gründer der Grameen Bank, geleitet. Der Regierung gehören zwei Studenten der SAD, eine bürgerliche Feministin, zwei Mitglieder der BNP und ein ehemaliger Offizier der Armee an.
Zuvor hatte Bangladesch in den letzten 70 Jahren vier revolutionäre Situationen erlebt, die alle verraten wurden:
• die Sprachbewegung von 1952,
• die Streiks von 1968-1969,
• der Unabhängigkeitskrieg von 1971,
• der Kampf gegen die Diktatur 1990.
Ohne eine sozialistische Perspektive gewinnt der reaktionäre Islamismus an Einfluss. Viele Gewerkschaften bleiben unter der Kontrolle bürgerlicher Parteien wie der Awami-Liga (AL) und der Bangladesh Nationalist Party (BNP). In Asien ist die Arbeiterbewegung weiterhin stark vom stalinistischen Erbe geprägt. Die Überreste maoistischer und stalinistischer Gruppen verteidigen nach wie vor:
• Die Revolution in Etappen (d.h. zunächst nur eine demokratische Revolution, ohne eine sozialistische Revolution zu beginnen).
• Die antiimperialistische Einheitsfront (d.h. das Proletariat wird einer bestimmten Fraktion der Bourgeoisie untergeordnet).
Ein Beispiel dafür ist Nepal im Jahr 2006, als die beiden maoistischen Parteien sich weigerten, die Macht zu übernehmen und so den bürgerlichen Staat retteten. In Bangladesch spaltete sich 1971 der sehr einflussreiche Stalinismus in zwei Flügel: Die pro-moskautreuen Stalinisten unterstützten die Awami-Liga, während die pro-pekingtreuen Stalinisten sich trotz der nationalen Unterdrückung gegen die Unabhängigkeit stellten.Seit 2007 haben die meisten politischen Organisationen, die aus dem Stalinismus hervorgegangen sind (CPB, SPB, DRP, RCLB, SPB-M, BSP), einen reformistischen Block gebildet, die Demokratische Linke Allianz (LDA). Diese hat keine Lehren aus der Vergangenheit gezogen.
Die Allianz fordert die demokratischen politischen Parteien auf, Gespräche über Reformen zu führen. In einer Mitteilung betont sie, dass nach dem Aufstand der Studenten die SAD erklärt habe, alle politischen Parteien, die Zivilgesellschaft und die Lehrerschaft müssten konsultiert werden, um eine Regierung zu bilden. Die Mitteilung fordert die Regierung auf, das Land im Geist der Volksbewegung zu führen (Dakha Tribune, 11. August 2024).
Ohne den Aufbau einer revolutionären Arbeiterpartei wird die Studenten- und Volksrevolte verraten werden. Bangladesch kann nur dann die Demokratie erleben, wenn die Arbeiterklasse sich von allen Fraktionen der Bourgeoisie emanzipiert, sich unabhängig von Religionen und Ethnien vereint und in der Lage ist, arme Bauern, Handwerker und Kleinunternehmer, Angestellte, Studenten und religiöse Minderheiten für sich zu gewinnen. Bangladesch kann nur dann dem klerikalen Obskurantismus entkommen, der sich seit der Teilung des indischen Subkontinents ausbreitet und weltweit an Stärke gewinnt, wenn es eine soziale Revolution gibt.
Bangladesch kann sich nur entwickeln, wenn sich die sozialistische Revolution auf die gesamte Region (Indien, Pakistan, Myanmar, Sri Lanka, Nepal, Bhutan) und auf China ausdehnt, sodass es mit den anderen Arbeiter- und Bauernregierungen zusammenarbeiten kann, die daraus hervorgehen. Bangladesch kann nur überleben, wenn die weltweite sozialistische Revolution den Klimawandel und die gesamte ökologische Krise stoppt.
Daher ist es zwingend notwendig, eine revolutionäre Arbeiterorganisation aufzubauen, die die Avantgarde der Jugend, der Gewerkschaften, der Bauernorganisationen (Krishok, Kishani Sabha), der Feministinnen und der LDA-Parteien vereint, sofern sich diese von allen Fraktionen der Bourgeoisie trennen wollen.
Bruch aller Arbeiterorganisationen (Gewerkschaften, LDA) mit der provisorischen Regierung der Bourgeoisie und mit allen bürgerlichen Parteien (AL, BNP, BJI)! Für einen einheitlichen Gewerkschaftsverband aller Arbeiter!
Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzungen, Indexierung der Löhne an die Inflation, Sicherheit am Arbeitsplatz! Internationale Solidarität der Arbeitergewerkschaften, die die Beschäftigten in der Produktion und dem Vertrieb für große Einzelhandelsketten wie Inditex, C&A, H&M, Primark, Walmart organisieren!
Gefängnisstrafen für Unternehmer, die Schlägertrupps gegen Streikende einsetzen oder deren Betriebe gefährlich sind! Enteignung der großen Landbesitzer! Entschädigungslose Enteignung der großen nationalen und ausländischen Unternehmen (landwirtschaftliche, industrielle, finanzielle, Handel usw.) unter Arbeiterkontrolle! Staatliches Außenhandelsmonopol!
Qualitativ hochwertige Krippen und Kindergärten für die Kinder von Arbeiterinnen! Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen! Verbot der Kinderarbeit!
Recht auf Bildung für alle Kinder beider Geschlechter! Öffentliches, allgemeines, laizistisches und kostenloses Bildungswesen auf allen Ebenen, einschließlich Universitäten!
Respektierung der hinduistische Minderheit! Trennung von Religion und Staat! Verbot von Zwangsehen! Strafrechtliche Verfolgung von „Ehrenmorden“ an Frauen!
Universelle, laizistische und kostenlose öffentliche Gesundheitsversorgung! Sexualerziehung für Jugendliche, kostenlose Verhütungsmittel, Recht auf Abtreibung! Volle rechtliche Gleichstellung von Männern und Frauen!
Komitees in Unternehmen, Stadtteilen, Universitäten, Dörfern und Regimenten! Demokratische Rechte für Wehrpflichtige! Entwaffnung der Berufsarmee, der paramilitärischen Einheiten, der Polizei, der Geheimdienste und faschistischer Milizen! Volksbewaffnung!
Arbeiter- und Bauernregierung, die vom nationalen Kongress der gewählten Komitees ernannt wird! Sozialistische Föderation des indischen Subkontinents! Sozialistische Vereinigte Staaten von Asien!
12. August 2024
Kollektiv Permanente Revolution