Iran
Weder Ayatollah noch Schah
Für eine Arbeiter*innen- und Bauernregierung!

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Weder Ayatollah noch Schah
Für eine Arbeiter*innen- und Bauernregierung!

Der Aufstand gegen das islamistische Regime

Am 13. September starb die 22-jährige Studentin Masha Jina Amini, die mit ihrer Familie in Teheran zu Besuch war, im Kassra-Krankenhaus, wenige Stunden nachdem sie von der Sittenpolizei festgenommen worden war, weil eine Haarsträhne aus ihrem Hijab (Schleier) herausgelugt hatte.

Der Mord an Jina löste einen Volksaufstand aus, der das aus der islamisch-faschistischen Konterrevolution von 1979 hervorgegangene Regime bedroht. Die Proteste begannen in Rojhilat (Kurdistan im iranischen Staat), wo sie lebte, und breiteten sich rasch auf 140 Städte im ganzen Land aus. Insgesamt demonstrierten mehrere Millionen Menschen gegen die Vorschrift, dass Frauen ihre Gliedmaßen und ihren Kopf bedecken müssen. Die Demonstrant*innen riefen „Frau, Leben, Freiheit“, ein Slogan der türkischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), und „Tod dem Diktator“, was auf den Obersten Führer, den Ayatollah (Titel für hohe schiitisch-muslimische Geistliche) Ali Khamenei , 85 Jahre, abzielte.

Junge Arbeiterinnen und Studentinnen waren die treibende Kraft hinter der Revolte. Trotz der Risiken legten viele von ihnen ihren Schleier ab und schnitten sich die Haare. Es ist eine historische Rache nach dem ersten Protest gegen die islamistische Konterrevolution im März 1979, dem Protest der Arbeiterinnen und Studentinnen. Es ist ein Schlag gegen die gesamte weltweite Reaktion, ob christlich, muslimisch oder hinduistisch inspiriert, die Frauen rechtlich diskriminiert, ihnen eine Kleiderordnung aufzwingt, sie an der Abtreibung hindert, sie der männlichen Dominanz und machistischen Gewalt unterwirft…

Besonders massiv sind die Proteste in Kurdistan (West-Iran) und Belutschistan (Südost-Iran). Am 18. November wurde das Museum, das Ayatollah Khomeini, dem Gründer des Regimes, gewidmet war, niedergebrannt. Jeden Tag werden Mullahs (schiitische Priester) auf der Straße ihre Turbane herunter gerissen. Immer mehr Arbeiter*innen und Kleinhändler*innen schließen sich den Protesten an. Alle Universitäten sind betroffen.

Wie so oft bei einem Volksaufstand machten die Machthaber und die Medien das Ausland dafür verantwortlich. Der Oberste Führer, Präsident Ebrahim Raissi, die Fernsehsender und die Zeitungen (die alle islamistisch sind) prangerten eine Verschwörung Israels und der westlichen imperialistischen Mächte an.

Diese Unruhen und die Unsicherheit sind das Werk der Vereinigten Staaten, des usurpatorischen zionistischen Regimes, ihrer Söldner und einiger verräterischer Iraner, die ihnen im Ausland geholfen haben… Bei diesen Ereignissen sind den Polizeiorganisationen, den Bassidschis und dem Volk mehr als allen anderen Ungerechtigkeiten wiederfahren. (Ali Khamenei, 4. Oktober 2022)

Die Pasdaran (Revolutionswächter), die Bassidschis (Freiwillige), einige Armeekorps (darunter die 65. Luftlandebrigade) und islamistische Milizionäre aus dem Libanon (Hisbollah) oder dem Irak (Hashd Al-Sha’bi), die sich selbst als „Geißel Gottes“ bezeichnen, knüppelten, verhafteten, schossen mit Bleischrot, aber auch mit Kugeln. 18.000 Demonstrant*innen, Journalist*innen, Blogger*innen und Sänger*innen wurden festgenommen, einige von ihnen gefoltert und zu öffentlichen Geständnissen gezwungen.

Die iranischen Sicherheitskräfte nehmen bei Demonstrationen gegen das Regime gezielt Frauen ins Visier. Sie schießen ihnen ins Gesicht, in die Brust und in den Unterleib… Während die Schließung des Internets einen Großteil der blutigen Unterdrückung verschleiert hat, zeigen die von Ärzten zur Verfügung gestellten Fotos schreckliche Verletzungen am ganzen Körper, die durch Bleischrot verursacht wurden, das die Sicherheitskräfte aus nächster Nähe auf die Menschen abfeuerten… Schüsse in die Augen sind besonders häufig. (The Guardian, 8. Dezember 2022)

In der Nacht vom 15. auf den 16. Oktober brannte das Evin-Gefängnis in Teheran, in dem politische Gefangene inhaftiert sind, wobei nach Angaben der Behörden vier Menschen ums Leben kamen. Am 19. November rückten die Repressionskräfte in Mahabad in Kurdistan mit Panzern ein und schossen mit Maschinengewehren auf alles, was sich bewegte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die staatliche Repression mindestens 510 Tote und Tausende Verletzte gefordert (Reuters). 18.000 Menschen wurden festgenommen. Nationale Minderheiten zahlten einen hohen Preis: Neben Kurd*innen waren auch mehr als 100 Belutsch*innen unter den Ermordeten. Islamische Gerichte verurteilten mehrere Demonstranten wegen „Feindschaft gegen Gott“ zum Tode. Am 8. Dezember ließ die Regierung Khamenei-Raïssi Mohsen Shekari (Kellner, 23 Jahre) hängen, am 12. Dezember Majidreza Rahnavard (Verkäufer, ebenfalls 23 Jahre), am 7. Januar 2023 Mohammad Mahdi Karami (Sportler, 22 Jahre) und Seyed Mohammad Hosseini (Arbeiter, 39 Jahre).

Am 28. September, 14. und 21. November bombardierten die Pasdaran im Irak die Büros der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran (PDKI) und der Kommunistischen Partei Irans (KPI), deren bewaffneter Arm die Komala ist. Zur gleichen Zeit startete der von Erdogan geführte türkische Staat, der sich auf den Block der islamistischen AKP und der chauvinistischen MHP stützt, eine Offensive gegen Rojava, das kurdische Gebiet in Syrien, das von der mit der PKK verbundenen Partei der Demokratischen Union (PYD) und ihrem militärischen Arm YPG kontrolliert wird.

Der Haushaltsplan 2023-2024, den Präsident Raissi am 22. Januar dem Parlament vorlegte, sieht vor, die staatliche Finanzierung der Gefängnisse um 45%, die der Polizei um 50%, die des Geheimdienstes um 50%, die der Pasdaran um 50% und die des Büros für religiöse Propaganda um 55% zu erhöhen.

Doch die Volksbewegung versiegte nicht. 44 Jahre nach ihrer Einführung mobilisieren sich die Massen, um die Islamische Republik Iran zu stürzen.

Seit 1979 ein despotisches, patriarchalisches und koloniales Regime

Die Konterrevolution, die von 1979 bis 1983 vom Klerus und seinen islamisch-faschistischen Milizen durchgeführt wurde, bewahrte das Wesentliche, die Armee des Schahs, und installierte neue Unterdrückungskörper, führte die Zensur ein, unterdrückte die Frauenbewegung, verbot die Arbeiter*innenorganisationen und vernichtete deren Aktivist*innen, zerschlug den kurdischen Widerstand, liquidierte die Arbeiter*innenräte (Shoras)…

Seitdem hat der schiitische Klerus sein politisches Monopol, seine Einmischung in das Privatleben und die Scharia (islamisches Recht) durchgesetzt. Seit dem Referendum im Dezember 1979 erhebt die Verfassung die Herrschaft des Führers über die Institutionen, der von einer „Expertenversammlung“, die aus 86 gewählten Geistlichen besteht, auf Lebenszeit ernannt wird, zum Gesetz. Ein vom Führer gewählter „Rat der Wächter“ überprüft die Gesetze auf ihre Übereinstimmung mit der islamischen Religion und wählt die Kandidaten für die Wahlen der „Experten“, die Parlamentswahlen und die Präsidentschaftswahlen aus. Der in allgemeinen Wahlen für vier Jahre gewählte Präsident hat die Aufgabe, unter der Autorität des Führers zu regieren. Die Majlis (islamische Versammlung), die aus 285 gewählten Abgeordneten (aus Kandidaten, die alle Islamisten sind) besteht, stimmt unter der Kontrolle des Wächterrats über den Haushalt und andere Gesetze ab. Der Staat trennt Männer und Frauen im öffentlichen Raum, legt Kleidungsvorschriften fest und verurteilt Homosexualität (von der Peitsche bis zur Todesstrafe). Das Zivilgesetzbuch räumt Frauen weniger Rechte ein als Männern, es erlaubt Vätern, ihre Töchter mit 13 Jahren zu verheiraten. Im Jahr 2021 beendete die Regierung von Raissi die kostenlose Verteilung von Verhütungsmitteln und schränkte das Recht auf Abtreibung ein. Das Strafgesetzbuch enthält Strafen wie Auspeitschen, Blenden, Amputationen… Selbst Minderjährige werden hingerichtet. Folter ist bei Verhören die Regel.

Um die Masseneinberufung von Männern im Krieg gegen den Irak zu bewältigen, wurden Frauen wieder in die Lohnarbeit eingegliedert. Um die Kapitalakkumulation zu gewährleisten, hielt die Bourgeoisie die Bildung für möglichst viele Menschen aufrecht. Auf der Grundlage der unter der Monarchie begonnenen Bemühungen wurde die Hochschulbildung ausgebaut, auch für junge Frauen. Der Staat finanziert auch einen parasitären Klerus, der die Bevölkerung betreut, und einen aufgeblähten Staatsapparat, der einem Teil der deklassierten städtischen Bevölkerung und der bankrotten Bauern Arbeitsplätze als Zivilbeamte oder in paramilitärischen und militärischen Korps bietet. Der repressive Apparat (Pasdaran, Armee, Polizei, Sittenpolizei, Bassidschis, Richter, Gefängniswärter) des Staates und der ideologische Apparat (z. B. Klerus, Fernsehen) verzehren einen großen Teil des gesellschaftlichen Mehrwerts, was die Kapitalakkumulation behindert.

Die religiösen Institutionen waren schon zu Zeiten des Schahs Großgrundbesitzer, im Namen der Wohltätigkeit, die an die Stelle der sozialen Sicherheit tritt. Neue kapitalistische Akteure sind aufgetaucht, insbesondere religiöse Stiftungen, die vom Staat subventioniert werden und sich jeder Steuer entziehen (Stiftung der Benachteiligten, Stiftung der Märtyrer usw.). Islamistische Institutionen (religiöse Stiftungen, Tarnfirmen der Pasdaran usw.) haben sich zu regelrechten kapitalistischen Konzernen entwickelt, die Waffen, Energie, Telekommunikation, Chemikalien, Pharmazeutika und Lebensmittel herstellen und verkaufen. Offiziellen Angaben zufolge kontrollieren die Unternehmen der Pasdaran ein Drittel der iranischen Wirtschaft (Bauwesen, Telekommunikation, Bergbau…).

Wie die heiligen Schriften der Juden und Christen verurteilt auch der Koran das Verleihen gegen Zinsen. Mit einem Bankgesetz von 1983 wurde das Zinsverbot im Iran formell verankert. Da jedoch keine kapitalistische Wirtschaft ohne Kredite funktionieren kann, handelte es sich lediglich um eine semantische Änderung, bei der die Begriffe „Gewinn“ und „Dienstleistungsgebühren“ das Wort „Zins“ ersetzten. Wie in Saudi-Arabien erfindet die „islamische Finanzwirtschaft“ alle möglichen juristisch-finanziellen Konstruktionen, um den Zins zu verschleiern. Die 1979 verstaatlichten Großbanken konkurrieren mit allen Arten von Banken, die von den Bazaris und Pasdaran kontrolliert werden und oft spekulieren, während sie sich der Kontrolle der Zentralbank (Bank Markazi Jomhouri Islami Iran) entziehen.

Dank der Ölrente, die er sich auf dem Weltmarkt beschafft, subventioniert der Staat die Haushaltsenergie (Treibstoff, Heizung) und Grundnahrungsmittel. Doch selbst in Phasen mit hohen Barrelpreisen kann dieser Geldsegen die Bedürfnisse einer viel größere nBevölkerung als jener Saudi-Arabiens nicht decken.

Seit 1979 nimmt die Islamische Republik in ihrer Haltung gegenüber den Minderheiten iranischer (Kurd’*innen, Belutsch*innen…), türkischer (Aseris, Turkmen*innen…), arabischer usw. Prägung, die insgesamt fast die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, eine völlige Kontinuität mit der Unterdrückungspolitik der persischen Monarchie ein.

1984 ließ Khomeini das Atomprogramm des Schahs wieder aufleben. Dies erregte den Zorn der US-Regierung, die sich nicht daran störte, dass Israel, Indien und Pakistan entgegen den internationalen Regeln atomar aufrüsteten, ganz zu schweigen vom Arsenal der damaligen imperialistischen Mächte (USA, Frankreich, Großbritannien). Der persische bürgerliche Staat tritt als Regionalmacht auf, die im Irak, Libanon, Gaza, Syrien, Jemen, Sudan usw. eine Rolle spielt.

Ein Kapitalismus, der vom imperialistischen Weltsystem abhängig ist

Die iranische Wirtschaft ist nach der Türkei die zweitstärkste der Region, und hat vor kurzem Saudi-Arabien überholt. Die erweiterte Reproduktion des Kapitals bleibt klein, die Inflation wiederkehrend, die Arbeitslosigkeit hoch, Handel und das Immobiliengeschäft werden von der Bourgeoisie der verarbeitenden Industrie vorgezogen, die Landwirtschaft leidet unter dem Klimawandel und der Inkompetenz der Verwaltung.

Seit 1979 belegen die USAImperialist*innen, manchmal gefolgt von der Europäischen Union, den Iran fast ständig unter verschiedenen Vorwänden mit Wirtschaftssanktionen: Besetzung der Botschaft, Krieg mit dem Irak, Anschläge, nuklearer Rüstungswettlauf. Darüber hinaus vervielfacht Israel die militärischen Angriffe in Syrien gegen iranische Truppen und die Anschläge im Iran selbst. Das Risiko eines Konflikts hat sich mit der Amtseinführung der Regierung Netanjahu-Gvir-Smotrich gerade erst erhöht.

Auch wenn der Effekt der Sanktionen dank der Komplizenschaft mehrerer Nachbarstaaten oder anderer imperialistischer Mächte (Oman, Tadschikistan, Syrien, Irak, Pakistan, Afghanistan, Emirate, Türkei, Russland, China…) abgemildert wird, ist das Hauptopfer dieses wirtschaftlichen Drucks wie immer in solchen Fällen die Arbeiter*innenklasse. Dagegen bereichert sich der halbstaatliche Sektor (Stiftungen, Unternehmen der Wächter) durch Schmuggel, Schwarzmarkt und Devisenhandel. Die Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen hat seit 2013 zugenommen. Darüber hinaus nutzt das Ayatollah-Regime die Sanktionen, um die Unterentwicklung zu begründen, den Nationalismus zu schüren und die Unterdrückung zu rechtfertigen. Das demonstrative Verbrennen von US-Flaggen vor laufenden Kameras hinderte die Islamische Republik nicht daran, 2001 mit den USA zu kooperieren, als diese in Afghanistan einmarschierten.

Um die Feindseligkeit der USA auszugleichen, spielt der Iran die Karte anderer imperialistischer Mächte, vor allem Russlands und Chinas, die seit Anfang der 1990er Jahre kapitalistisch geworden sind. Allerdings schränkt die Konkurrenz zwischen Gas- und Ölexporten den Handel mit Russland ein. Die Islamische Republik und die VR China unterzeichneten im März 2021 eine auf 25 Jahre angelegte strategische Partnerschaft. Im Jahr 2023 trat der Iran unter der Schirmherrschaft Pekings der Shanghai Cooperation Organization (SCO) bei. Auf der einen Seite stellt der Iran das einzige Ölexportland dar, das im Falle einer offenen Konfrontation zwischen Peking und Washington dem Druck der USA entgeht. Andererseits stellen die iranisch-amerikanischen Spannungen eine Chance für China dar, insbesondere um iranische Unternehmen zu niedrigen Preisen zu erwerben und seine Produkte – von Konsumgütern bis hin zu neuen Technologien (5G, künstliche Intelligenz usw.) – zu exportieren. Natürlich bleibt die Beziehung zwischen den beiden Staaten grundsätzlich asymmetrisch. Die diplomatische Isolation des Iran in Verbindung mit den US-Sanktionen und einer schweren Wirtschaftskrise zwingt das Land, sich um die Schirmherrschaft einer Großmacht zu bemühen. Auf chinesischer Seite ist der Iran nur eine von mehreren Optionen.

Wie in den meisten kapitalistisch beherrschten Ländern ist die Korruption des Staatsapparats nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Seit 1989 setzt der Ayatollah-Staat wie andere kapitalistische Regierungen in den USA, Europa, Afrika und Asien auf Privatisierungen, kürzt die Subventionen für lebensnotwendige Güter und erleichtert die Flexibilität der Beschäftigung. In der Gas- und Elektrizitätsbranche gibt es beispielsweise angeblich 90.000 Beschäftigte mit unbefristeten Verträgen, während es 160.000 Lohnabhängige mit befristeten Verträgen oder Zeitarbeitsverträgen gibt (64 Prozent der Gesamtzahl). Zwischen 40 und 50 Prozent der Arbeitskräfte sind im informellen Sektor beschäftigt, als mehr oder weniger selbstständige Arbeiter*innen oder Angestellte ohne jeglichen Vertrag. Darüber hinaus hat der bürgerliche Staat Streikende und Aktivist*innen der neu entstandenen Gewerkschaften systematisch unterdrückt.

Mit 130.000 Toten ist der Iran das Land im Nahen Osten, das am stärksten von der Covid-Pandemie betroffen ist. Während der Ölexport vom Krieg in der Ukraine und den steigenden Energiepreisen profitiert und das Wirtschaftswachstum 3 % beträgt, liegt die Arbeitslosigkeit offiziell bei 9,4 % der Erwerbsbevölkerung und die Verbraucherpreise sind im vergangenen Jahr offiziell um 40 % gestiegen, wahrscheinlich sogar noch viel stärker. Die Löhne und Renten haben damit nicht Schritt gehalten. Die Mehrheit der 82 Millionen Iraner*innen lebt unterhalb der von den Vereinten Nationen definierten Armutsgrenze, ein Viertel der Bevölkerung ist nur mangelhaft untergebracht.

Die Jugend ist besser ausgebildet als in vielen anderen Ländern der Region, hat aber Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden, sodass ein beträchtlicher Teil der Hochschulabsolvent*innen auswandert und sich einer politischen und wirtschaftlichen Diaspora von 2 bis 3 Millionen Menschen anschließt. Kleine Händler*innen werden von den neuen Einkaufszentren (400 wurden zwischen 2010 und 2015 errichtet) in den Ruin getrieben. Nachdem der Iran bis in die 1960er Jahre hinein in Bezug auf Nahrungsmittel autark war, wurde er zu einem der weltweit größten Importeure von Agrarprodukten (30-50 % seines Bedarfs). Die Landwirtschaft ist zunehmend kapitalistisch geprägt, mit großen privaten Farmen von 100 bis 200 Hektar, die zu lokalen Produktionszentren werden, wo bäuerliche Nebenwerwerbsarbeiter*innen aus den umliegenden Dörfern eingestellt werden, um ihre kleinen Familienbetriebe zu ergänzen. Andere versuchen ihr Glück aufgrund der Landkonzentration und der wiederholten Dürreperioden in den Städten.

Innerhalb von fünf Jahren hat der iranische Rial auf den Devisenmärkten 90% seines Wertes verloren. Das Staatsdefizit soll 7% des BIP (umgerechnet 10 Mrd. USD) betragen, was die Frage nach dem Umfang der Militärausgaben und der Unterstützung anderer Regierungen in der Region aufwirft, zumal der Iran aus seiner militärischen und finanziellen Unterstützung Syriens weniger wirtschaftliche Gewinne zieht als Russland (eine Ausnahme ist der Erwerb der Mehrheit der Aktien von Wafa Telecom durch ein malaysisches Unternehmen, das sich in den Händen der iranischen Pasdaran befindet).

Zu den pandemischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten gesellt sich noch die Umweltkrise. Die Luftverschmutzung, die unter anderem durch 3 Millionen Autos verursacht wird (in Berlin gibt es 1,2 Millionen Autos, in New York 1,4 Millionen), beeinträchtigt die Gesundheit der Einwohner*innen der Hauptstadt. Die Wasserknappheit ist eine Folge des Klimawandels, wird aber durch den schlechten Umgang mit der natürlichen Ressource, die durch die kapitalistische Landwirtschaft verschwendet wird, noch verschärft. So hat beispielsweise der Salzsee von Oroumieh die Hälfte seiner Fläche verloren.

Die Arbeiter*innenklasse muss die Führung der Bewegung bilden

Die nationalen Minderheiten hassen das Joch des persischen Staates. Ein bedeutender Teil der Arbeiter*innenklasse ist kurdisch, aserisch und arabisch.

Die Jugend strebt nach Freiheit: 1999 wurden Studentenunruhen in mehreren Städten von den Bassidschis gewaltsam niedergeschlagen.

2009 führte die Bekanntgabe der Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen zu einer Mobilisierung der kleinbürgerlichen Klassen in den Städten, um einen Flügel des Islamismus zu unterstützen, der das Regime nicht in Frage stellt, sondern Teil davon ist und von ihm lebt. 150 Demonstrant*innen wurden getötet. Die zahlreichen Vergewaltigungen durch die Bassidschis wurden angeprangert. Doch dieser Protest bereitete andere vor, die deutlich plebejischer waren.

2017-2018 zettelte die autoritärste Fraktion Proteste gegen den sogenannten liberalen Flügel an, wurde aber von Arbeiter*innen überrannt, die das gesamte Regime angriffen. Die Machthaber beschuldigen die USA. Die Repressionen führten zu rund 20 Toten.

Im Jahr 2019 führten Preiserhöhungen zu großen Demonstrationen, die um den Preis mehrerer hundert Toter niedergeschlagen wurden, insbesondere in Kurdistan. Wie in totalitären Regimen üblich, wurden festgenommene Demonstrant*innen gefoltert, um öffentliche Geständnisse zu erzwingen. Im Jahr 2021 demonstrierten Arbeiter*innen und Bauern/Bäuerinnen in der Provinz Khuzistan, mindestens 8 wurden getötet.

Seit der Jahrhundertwende finden Streiks statt. Sogar regimeunabhängige Gewerkschaften tauchten im öffentlichen Nahverkehr und in Raffinerien auf, trotz heftiger Repressionen.

Seit mehreren Monaten ist die Spontaneität der iranischen Massen überwältigend wird von den Ausgebeuteten und Unterdrückten in der ganzen Welt bewundert. Trotz allem ist das mörderische Regime immer noch an der Macht. Die iranische Bourgeoisie hat keine wesentlichen Verluste hinnehmen müssen und die Ayatollahs sind nicht gestürzt. Sie verteidigen immer noch den bürgerlichen Staat, seine Finanzen, seine Waffen, seine Gerichte, die Zentralisierung von Informationen, Kommunikationsmitteln, Spionage- und Unterdrückungskräften gegenüber Arbeiter*innen und Student*innen, die ohne Strategie, ohne Programm und ohne Führung bleiben. Deshalb brauchen wir Losungen, die über die Slogans der ersten Welle hinausgehen. Deshalb muss die Klasse identifiziert werden, die in der Lage ist, die alte Ordnung zu stürzen und eine neue zu schaffen. Deshalb braucht es Selbstverteidigungs- und Selbstorganisationsorgane. Deshalb braucht man eine Strategie der permanenten Revolution. Deshalb braucht es eine Partei.

Andernfalls wird das Feld von „Reformern“ des Regimes, von Monarchisten, die von Washington unterstützt werden, von „demokratischen“ Bürgern, von balutschischen Dschihadisten, die die Taliban nachahmen wollen, von bürgerlichen kurdischen Nationalisten, die dem Barzani-Clan aus dem Irak nacheifern wollen, besetzt. Von falschen Kommunist*innen (Tudeh), die das islamistische Regime gestalten wollen oder falschen Kommunist*innen (WPI, PCOI-WCPI), die bei Exildemonstrationen den Monarchisten das Wort erteilen oder an die imperialistischen Staaten appellieren. Oder durch die Sekte der Modjahedin, die sich an den US-Geheimdienst verkauft haben.

Die Feinde der Feinde des Proletariats sind nicht unbedingt seine Freunde. 1978 waren die Opportunisten (Tudeh, Fedayins …) im Namen der antiimperialistischen Einheitsfront zu allem bereit, einschließlich der Unterwerfung unter die Islamisten, um den Schah zu stürzen, was die Konterrevolution von 1979-1983 erleichterte. Heute sind sie im Namen der Demokratie zu allem bereit, um Chamenei zu stürzen, einschließlich der Unterwerfung unter die westlichen imperialistischen Mächte.

Aber die imperialistischen Staaten hatten 1953 geholfen, mit Hilfe der Islamisten die Monarchie im Iran einzuführen, sie setzten 1979 auf Ayatollah Chomeini, haben seitdem den Irak und Libyen zerstört und Afghanistan den Islamisten überlassen.

Die Priorität besteht darin, auf fortschrittliche und proletarische Weise auf die von den Massen ausgerufenen Slogans „Frau, Leben, Freiheit!“ und „Tod dem Diktator!“ zu reagieren.

  • Wie kann man den gewaltigen Repressionsapparat daran hindern, zu töten und der Jugend, den Frauen und den unterdrückten nationalen Minderheiten das Leben zu nehmen?
  • Wie kann die Gleichberechtigung für Frauen erkämpft werden?
  • Wie erlangt man Freiheit?
  • Wodurch soll der Diktator ersetzt werden?


Für die Hegemonie des Proletariats

Um die Repression eines nicht zersetzten Staates zu überwinden, um die Versuche seiner prowestlichen Fraktion, das Regime zu reparieren, zu vereiteln, um dem islamistischen Regime den Todesstoß zu versetzen, um die Wiedereinführung der Monarchie zu verhindern, um die Manöver der „demokratischen“ Opposition zur Rettung des iranischen Kapitalismus zu vereiteln, muss das Proletariat als Klasse in den Kampf hineinstoßen. Das kann es nur vermittels einer Partei , die die Avantgarde um sich schart und sie mit ihren Brüdern und Schwestern in der ganzen Welt verbindet, in der Tradition des Bundes der Kommunisten, der Internationalen Arbeiterassoziation, der Arbeiterinternationale, der Kommunistischen Internationale und der Vierten Internationale.

Alle Arbeiter*innenorganisationen müssen unverzüglich eine Einheitsfront bilden, um den Generalstreik zu organisieren, um sich durch die Bewaffnung der Arbeiterinnen und Arbeiter zu verteidigen, um Shoras in Betrieben, Verwaltungen, Universitäten, Stadtvierteln und auf dem Land zu gründen und diese zu zentralisieren.

Ein entscheidendes Mittel, um das Selbstvertrauen der Arbeiter*innenklasse zu stärken und der Gesellschaft eine revolutionäre politische Perspektive zu eröffnen, ist der Generalstreik. Die revolutionären Kräfte im Iran dürfen nicht aus einer ökonomistischen Perspektive heraus handeln oder um Zugeständnisse des Regimes zu erreichen, sondern mit der Perspektive, die Arbeiter*innenklasse an die Macht zu bringen. Die Zerstörung des islamistischen bürgerlichen Staates, die Auflösung seiner Repressionskräfte und die Bildung einer auf Arbeiter*innenräte gestützten Arbeiter*innen- und Bauernregierung müssen das zentrale Ziel der Revolution sein.

Ein Generalstreik zeigt die Stärke der Arbeiter*innen, die sich aus ihrer Stellung in der Produktion ergibt. Über die unmittelbaren Forderungen hinaus stellt ein Massenstreik mit Besetzung das geheiligte kapitalistische Eigentum in Frage, die Aneignung der von den Produzent*innen geschaffenen Produktionsmittel durch eine Minderheit der Gesellschaft, die diese zu Kapital und die Produzent*innen selbst zu Ausgebeuteten macht. Der Generalstreik kann nicht lange dauern, aber er wirft praktisch die Frage auf, welche Klasse die Gesellschaft führen soll.

Aus dem Streben nach Freiheit, Selbstverteidigung, Generalstreik und Arbeiter*innenkontrolle werden unweigerlich die Shoras wiedergeboren werden. Streikkomitees und Arbeiter*innenräte dürfen sich nicht auf den Arbeitsplatz beschränken, sondern müssen sich auf Ausbildungsstätten und Wohnviertel ausdehnen, um alle Arbeiter zu vereinen, sie mit zukünftigen und ehemaligen Arbeiter*innen und Arbeitslosen zusammenzuschweißen. Sie müssen eine direkte Demokratie einführen. Jede Partei, jede Strömung kann ihre Analyse vorlegen und ihre Vorschläge machen. Die Shoras werden entscheiden.

Für eine föderale Arbeiter*innen- und Bauernrepublik

Kommunist*innen sind, ohne Einschränkung, für demokratische Freiheiten. Deren Eroberung zeichnete sich im Iran 1905/1906 und erneut 1979 ab. Da es nie, auch nicht 1906, eine allgemein gewählte Versammlung gab, befürworten die Kommunisten freie Wahlen für eine Nationalversammlung oder eine verfassungsgebende Versammlung, sobald das politische Monopol der Ayatollahs, die Institutionen der islamischen Republik, die Zensur … abgeschafft worden sind.

Aber die Kommunist*innen machen keinen Hehl daraus, dass ihr Ziel weit mehr ist als ein scheindemokratisches Regime, in dem kapitalistische Konzerne im Schatten der Parlamentskammern regieren und Apparate professioneller Lügner ihnen dienen und sich nebenbei die Taschen vollstopfen. Sie sind für eine wesentlich höheren Demokratie nach dem Vorbild der Pariser Kommune von 1871 oder der Sowjets im Russland von 1917, die die angemessene Form der Diktatur des Proletariats ist.

Die Verallgemeinerung und Zentralisierung der Räte erfordert die Bewaffnung der Massen, bereitet ihre Machtergreifung und die Enteignung der in- und ausländischen kapitalistischen Konzerne vor. Der gesamte Reichtum der Gesellschaft kommt aus der Natur durch die kollektive Arbeit der Produzenten. Die Arbeiter müssen die Kontrolle über den gesellschaftlichen Reichtum übernehmen und gleichzeitig die Natur schonen.

Angesichts der Pasdaran, der Bassidschis, der Polizei und des Berufsmilitärs ist die Selbstverteidigung der Demonstranten, die Schaffung von Arbeitermilizen und deren Bewaffnung eine dringende Aufgabe. Die Arbeiterklasse produziert Waffen und transportiert sie; sie verwaltet die Bankkonten, die Bezahlung von Polizisten und Militärs. Sie muss die Söldner der Bourgeoisie entwaffnen. Innerhalb der Armee muss systematische Agitations- und Propagandaarbeit geleistet werden, um die Wehrpflichtigen für die Revolution zu gewinnen, damit sie ihre Waffen gegen die Generäle und politischen Führer richten, gegen die Henker der Frauen, der Arbeiter und der nationalen Minderheiten.

Die Aktivität der Arbeitermilizen wird mit der Selbstverteidigung beginnen. Sie müssen jedoch wie 1979 in die Offensive gehen: Sie müssen die Polizeistationen, in denen die Aktivisten festgehalten und gefoltert werden, stürmen, um sie zu befreien, die Kasernen, um sich zu bewaffnen, das Geheimdienstministerium, um es lahmzulegen, die Hauptquartiere der islamistischen Machthaber, um sie zu zerstreuen und zu zerstören, und die islamischen Gerichte, um die Folterer zu bestrafen.

  • Internationalistische Solidarität der Arbeiter- und Frauenorganisationen aller Länder mit dem Kampf der iranischen Massen!
  • Generalstreik! Selbstverteidigung bei Demonstrationen! Gründung von Shoras an den Arbeits-, Lebens- und Studienorten, in den Kasernen!
  • Freiheit für Frauen, den Schleier zu tragen oder nicht und sich zu kleiden, wie sie wollen! Für die Gleichheit von Männern und Frauen!
  • Nieder mit der islamistischen Diktatur! Abschaffung des Obersten Führers, der Expertenversammlung, des Unterscheidungsrates! Verfassungsgebende Versammlung!
  • Auflösung der Repressionskorps! Demokratische Freiheiten für Wehrpflichtige! Wahl der Offiziere!
  • Für die Freiheit von Beziehungen zwischen Jugendlichen! Für den Respekt von Schwulen und Lesben!
  • Für den Respekt vor religiösen Minderheiten und Atheisten! Für einen säkularen Staat! Trennung des Staates von der schiitischen Geistlichkeit! Keine staatlichen Subventionen für irgendeine Religion!
  • Für die Freilassung der politischen Gefangenen! Für alle demokratischen Freiheiten (Meinungsfreiheit, Organisationsfreiheit, Streikrecht, Demonstrationsrecht…)! Für freie Wahlen!
  • Recht auf Selbstbestimmung für nationale Minderheiten! Recht der Kurden im Iran, in Syrien, im Irak und in der Türkei, auf Wunsch einen eigenen Staat zu gründen!
  • Einfrieren der Mieten, sofortige Anpassung der Löhne an die Lebenshaltungskosten!
  • Enteignung des Landes von kapitalistischen Großfarmen und religiösen Stiftungen! Kollektive Verwaltung des Wassers! Auf Freiwilligkeit basierende Genossenschaften!
  • Arbeiterkontrolle über die Produktion, den Vertrieb! Enteignung der Großunternehmen und Stiftungen! Eine einzige öffentliche Bank!
  • -Schutz der sozialen Sicherheit! Säkulares, öffentliches und kostenloses Bildungs- und Gesundheitswesen.
  • Aufhebung aller US-Sanktionen und Ende des zionistischen Mordens!
  • Schließung aller Militärbasen (französische, chinesische, russische, britische, amerikanische) im Nahen Osten und im Mittelmeerraum, Abzug der US-Flotte aus dem Arabischen Golf, dem Indischen Ozean und dem Mittelmeer!
  • Arbeiter und Bauernregierung! Sozialistische Föderation des Nahen Ostens!
13. Januar 2023
CoReP