Die Krise des bürgerlichen politischen System in den USA und die Aufgaben der Arbeiter*innenklasse

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Der “Sturm” auf das Kapitol in Washinton (dem Sitz beider gesetzgebenden parlamentarischen Kammern) am 6. Januar 2021 durch einen vom damaligen Präsidenten Donald Trump aufgehetzten Mob ist ein Alarmsignal für die amerikanische und internationale Arbeiter*innenklasse und ein Beweis für die tiefe Krise des kapitalistischen Systems in den USA.

Die gleiche imperialistische Weltmacht, die sich anmaßt, in allen Teilen der Welt bewaffnete Lektionen in bürgerlicher “Demokratie” zu erteilen, erlebte einen scheidenden Präsidenten, der sich weigerte. seinem siegreichen Konkurrenten Platz zu machen und tausende Faschist*innen, die auf seinen Aufruf hin den Sitz der gesetzgebenden Macht stürmten. unfähig, im eigenen Land der Krise der politischen Institutionen Herr zu werden, die Hunderttausende Menschen in die Hände weißer Überlegenheitsfanatiker, faschistischer Milizen und Banden treibt, in einem noch größeren Ausmaß aber Kleinbürger*innen und Kleinfarmer*innen, Arbeitslose, Jugendliche ohne Perspektive und durch die Spekulationen der Banken um ihre Renten gebrachte Senior*innen zu Feinden des “Systems” macht.

Dies wurde bereits durch das Aufkommen der Tea Party im Jahr 2008 vorbereitet, einer bigotten und fremdenfeindlichen Bewegung, die bereits einen großen Einfluss auf die Republikanische Partei hatte. Diese Entwicklung ging einher mit der Zunahme von Angriffen auf Abtreibungszentren und der Aufstellung von rassistischen Milizen gegen Migrant*innen an den Grenzen.

Trump mag ein psychotischer Narziss, ein Soziopath und Lügner – was auch immer – sein: Präsident wurde er 2016 nicht wegen seiner schon damals sichtbaren und bekannten psychologischen Absonderlichkeiten und moralischen Defekte, sondern weil sein Programm weil seine Rhetorik zusätzlich zur traditionellen Wählerschaft der RP jene Schichten mobilisierte, die sich als die Verlierer*innen des vergangenen Jahrzehnts (Subprimekrise, Bankenkrach…) sahen und ihre Wut auf die Demokratische Partei, Migrant*innen und China umlenkte.

Der Trump-Slogan „Make America great‟ again drückte die Nostalgie nach einer Zeit aus, in der der US-Imperialismus unangefochten über die kapitalistische Welt herrschte. Dem Bonaparte konnte 2016 hinter seiner Wahlkampagne den Apparat der Republikanischen Partei, einen Teil der Kapitalisten, Freiberufler, kleine Beamte, die Anhänger von Verschwörungswebsites und, eher am Rande, verzweifelte Arbeiter*innen vereinen. Weit stärker punktete Trump bei jenen Wählern, die über ein höheres Einkommen als das Mittel der US-Bevölkerung und Angst vor einem Verlust ihrer Privilegien hatten. Diese Schicht war primär weiß, über 45 und eher männlich; bei Frauen war Trump schon damals in der Minderheit.

Ein historisch überholtes, nach Maßstäben selbst der bürgerlichen Demokratien undemokratisches Wahlsystem machte es möglich, dass Trump mit indirekten Stimmen die Kandidatin der DP, Hilary Clinton, schlagen konnte, die mehr Stimmen auf sich vereinen konnte.

Wirtschaftlich ist es in neben der Konfrontation mit den alten Rivalen (Japan und Deutschland) in erster Linie der junge und dynamische chinesische Imperialismus, der die USA herausfordert; der Handelskrieg, den Trump führte, war nur die Fortsetzung einer aggressiven Strategie gegen den gefährlichen Konkurrenten, die schon Barack Obama begonnen hatte.

Zugleich wurde das Verhältnis zu den wichtigsten imperialistischen Verbündeten in der EU immer gespannter. Der französische Imperialismus verfolgt in Afrika seine eigenen Ziele und ist nicht ohne weiteres bereit, zum willfährigen Alliierten bei US-amerikanischen Aggressionen zu werden; ähnliches gilt für das deutsche Kapital, das aus ökonomischen und geopolitischen Gründen keinen Konflikt mit dem jungen russischen Imperialismus provozieren will. Im Nahen Osten fordern sogar lokale Mächte (Iran, Türkei…) den US-Imperialismus heraus und profitieren von seinem Scheitern im Irak und in Afghanistan.

Der internationale Niedergang und die Entscheidungen der amerikanischen Großkonzerne haben das Land deindustrialisiert, Einkaufszentren und dann Versandhandelsstrukturen haben das Kleingewerbe ruiniert. Die globale kapitalistische Krise von 2008 hat das Vertrauen der Sparer in das Bankensystem und die staatlichen Aufsichtsorgane erschüttert. Die wirtschaftliche Erholung von 2010 hat dieses Vertrauen nicht wiederhergestellt. Trumps Vorwürfe gegen die „Washingtoner Eliten“ fielen daher auf breiten und fruchtbaren Boden.

Aufgrund der Degeneration der Kommunistischen Internationale und der CPUSA in den 1930er Jahren, der Degeneration der Vierten Internationale und der SWP in den 1960er Jahren gibt es schon lange keine nationale revolutionäre Arbeiterorganisation mehr, die in der Lage wäre, die Führung in Kämpfen zu übernehmen (und Kandidaten zur Wahl aufzustellen).

1934 trieb die UdSSR-Bürokratie die kommunistischen Parteien der imperialistischen Länder in den Nationalismus und in Volksfronten. Die Kommunistische Partei Amerikas (CPUSA) unterstützt seither die Demokratische Partei und betreibt eine „Identitätspolitik“, indem sie Bewegungen unter deren kleinbürgerlichen und bürgerlichen Führungen aufwertet. In den 1930er Jahren war es die Trilogie von Rasse, Geschlecht und Klasse, die alle drei auf eine Stufe gestellt wurden; seit den 1970er Jahren ist die Liste endlos gewachsen.

Die Socialist Workers Party (SWP) folgte von dem Moment an, als sie sich dem ismus anschloss (1961-1963), dem reformistischen Weg, den die CPUSA eingeschlagen hatte. Wie die CPUSA orientierten die SWP und ihre Jugendorganisation YSA die Bewegung gegen den Vietnamkrieg (NPAC) auf einen Kurs, der einen Flügel der Demokratischen Partei einbinden sollte. Die SWP hielt am bürgerlichen Feminismus fest und kapitulierte vor dem schwarzen Nationalismus, während sie sich vorsichtig von der Selbstverteidigungsbewegung in den Ghettos distanzierte, die sich in Richtung Marxismus entwickelte (Black Panthers Party).

Das Fehlen jeglicher Arbeiter*innenmassenpartei wirkt sich verheerend auf das Klassenbewusstsein der amerikanischen Lohnabhängigen aus. Sie werden zur Manövriermasse der beiden kapitalistischen Parteien, RP und DP, die sich seit Jahrzehnten die politische Herrschaft teilen.

Die Democratic Socialists of America (DSA), mit 85 000 Mitgliedern die stärkste organisierte Kraft in der amerikanischen Arbeiter*innenbewegung ist das linke Feigenblatt für die Demokratische Partei.

Längerfristig ist es unser Ziel, eine unabhängige Arbeiterpartei zu bilden, aber für den Moment schließt dies nicht aus, dass DSA-unterstützte Kandidaten taktisch auf der Liste der Demokratischen Partei kandidieren.
In the longer term, our goal is to form an independent working-class party, but for now this does not rule out DSA-endorsed candidates running tactically on the Democratic Party ballot line. (DSA-Konferenz August 2019, Resolution 31)

Die DSA unterstützte bei den Vorwahlen die Kampagne von Bernie Sanders, der mit seiner sozialen Rhetorik Jugendliche, Schwarze und Hispanos über den Umweg seiner hauptsächlich von den DSA getragenen Unterstützerkomitees an die Demokratische Partei heranführte. Nach der Nominierung Bidens als Kandidat der Demokratischen Partei veröffentlichte die Bürokratie der DSA genau wie die von ihr kontrollierte Revue „Jacobin‟ eine Erklärung, mit der sie für den demokratischen Kandidaten mobilisierten.

Eine Niederlage von Trump wäre für die Arbeiterklasse und für unsere Bewegung eindeutig besser als ein Wiederwahlsieg von Trump. (…)
Im Interesse, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um eine Niederlage von Trump zu sichern, und um uns mit anderen Organisationen der Linken, der People of Color und derjenigen, die sich für rassische und wirtschaftliche Gerechtigkeit organisieren, zusammenzuschließen, verpflichten wir, die unterzeichnenden Mitglieder der Democratic Socialists of America, uns, in den nächsten vier Wochen freiwillig unsere Zeit für Anrufkampagnen, Textkampagnen, Hausbesuche und andere organisatorische Maßnahmen einzusetzen, um Trump zu besiegen.
A Trump loss would be unequivocally better for the working class and for our movement than a Trump re-election victory. (…)
In the interest of doing all that we can to secure a Trump loss, and in joining with other organizations of the left, of people of color, of those who organize for racial and economic justice, we, the undersigned Democratic Socialists of America members, are committing to volunteer our time to phonebanking, textbanking, doorknocking, and otherwise organizing to defeat Trump over the next four weeks.

Diese Falle wird von den Bürokratien an der Spitze der Gewerkschaftsverbände (AFL-CIO, CtW), den meisten Organisationen der Unterdrückten (Schwarze, Latinos, Frauen…), den Überbleibseln des Stalinismus (KPdSU, RCP…) verstärkt, die systematisch die Kandidaten der DP unterstützen und behaupten, die imperialistische Partei nach links zu drängen. SAlt, die größte Organisation, die sich auf Lenin und Trotzki beruft, vollendete ihren Verrat, indem sie wie die SPUSA dazu aufrief, für den Kandidaten der Grünen Partei zu stimmen, deren Schwesterorganisation in Österreich gemeinsam mit der christlich-demokratischen Partei ÖVP das kapitalistische Land regiert.

Die Verhaftungen durch das FBI zeigen, dass die drei am häufigsten vertretenen Berufe Kleinunternehmer (10 von 107), Polizisten (5) und Immobilienmakler (3) sind. Die Bilder der fanatisierten Trump-Anhänger bei den perfekt durchchoreographierten Massenveranstaltungen vor und während seiner Amtszeit dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Trump bis zu den Wahlen Ende 2020 die Unterstützung bestimmter Fraktionen des amerikanischen Kapitals, darunter der wichtigsten Unternehmerorganisation NAM, genoss. Ein Blick auf die Top-Spender für seinen Wahlkampf 2020 zeigt eine Melange von Investmentgruppen wie Blackstone, Öl- und Eisenbahnkonzernen, Immobiliengiganten und Handelsketten. Weiters unterstützten ihn mit Fox eine wichtige Fernsehanstanl und das bedeutendes Wirtschaftsblatt (Financial Times). Diese Schichten der US-Bourgeoisie können ohne weiteres damit leben, dass ihr Gewährsmann im Weißen Haus, freundlich ausgedrückt, “etwas exzentrisch” ist, solange er auf dem Boden der amerikanischen Bourgeoisie steht und das Land in ein faschistisches Abenteuer stürzt, für das die Bourgeoisie nicht bereit ist.

Die Konfrontation Trump vs. Biden bei den Wahlen 2020 wurde weniger unter dem Blickwinkel politischer Programme und konkreter Wahlversprechen geführt. Künstlich wurde ein Teil der Bevölkerung (die ländlichen Gebiete und Kleinstädte) gegen einen anderen (die Metropolen) ausgespielt.

Besonders betroffen waren Klein- und Mittelunternehmen von der Wirtschafts- und Corona-Krise. Im Dienstleistungsbereich, in dem fast 80 Prozent der Lohnabhängigen tätig sind, schlug die Krise voll durch. Zwar gab und gibt es seit Beginn der Corona-Pandemie in den USA zunehmende, aber zersplitterte, Streikbewegungen. Sie richteten sich anfangs gegen die gesundheitliche Gefährdung am Arbeitsplatz. Klarerweise gehörten dazu Streikende im Gesundheitsbereich, im Logistikbereich, aber auch in der Großindustrie. Dann folgten Streiks und Proteste gegen Kündigungen und Betriebsschließungen: im März 2020, also vor dem Ausbruch der Pandemie, lag die Arbeitslosenquote bei 3,9 % und schnellte im April auf 14,7 % in die Höhe. Im November, also dem Wahlmonat in den USA, war die Arbeitslosenquote auf 6,7 % zurückgegangen.

Das Fehlen einer sozialistischen Alternative zu allen bürgerlichen Parteien (Grüne, Libertäre Partei, PR, PD) führte im Wahlkampf zum Verstummen der großen Demonstrationen gegen Polizeigewalt und einer Polarisierung, die keinen nennenswerten Raum für den eigenständigen Ausdruck der Interressen der Arbeiter*innenklasse ließ.

Weltweit hat die COVID-19-Pandemie gezeigt, dass der niedergehende Kapitalismus nicht einmal in den reichsten Ländern imstande ist, eine Massenepidemie effizient zu bekämpfen. Solange der Schutz der Gesundheit der arbeitenden Menschen den Profiten der kapitalistischen Konzerne untergeordnet wird, solange die pharmazeutische Industrie in den Händen großer privater Konzerne liegt, sind wirksame Möglichkeiten zur Eindämmung und zum Sieg über das SARS-COV-2 Virus nicht möglich. In den USA starben 2020 340.000 Menschen an Corona, allein im Dezember 2020 waren es an die 70.000. Für Januar werden 115.000 Todesfälle erwartet.

Die Ignoranz der Trump-Administration gegenüber den Gefahren der Pandemie waren Ausdruck der malthusianischen Ideologie der hyperliberalen und oftmals religiös-fundamentalistischen Verteidiger eines zügellosen Kapitalismus. Trump gehörte zu jener Fraktion der amerikanischen Bourgeoisie, die staatliche Interventionen dann begrüßten und sogar massiv einforderten, wenn sie die Konzerne und ihre Stellung stärkten; nach Innen hingegen schrien sie “Kommunismus” oder Sozialismus”, wenn es um Fragen der sozialen Sicherheit, der Bildung oder der Gewinnsteuern ging.

Die Eruption massiver Proteste nach dem Mord an George Floyd am 25. Mai, also schon während der Pandemie, umfassten alle ethnischen Gruppen und zeigten die Zerrissenheit der amerikanischen Gesellschaft.

Aber die Führung der Demonstrationen war gespalten zwischen kleinbürgerlichem Anarchismus und „Identitätspolitik“. Die „Antifas“ konzentrierten sich außerhalb der Arbeiterklasse auf die Konfrontation mit der Polizei. Die BLM-Organisation wendet sich nur an „Schwarze“ und lehnt jede Verbindung mit Ausgebeuteten und anderen Unterdrückten ab, einschließlich Native Americans und Hispanos.. So konnte die Bewegung einerseits von der DP als Wahlinstrument genutzt und andererseits von der RP zum Schreckgespenst für ihre weiße reaktionäre Wählerschaft gemacht werden.

Auf diesem Boden, im Schatten Trumps, hat sich die faschistische Bewegung durchgesetzt. Die weißen Herrenmenschen-Milizen und andere Proud Boys gingen bewaffnet auf die Straße, spielten Hilfspolizei gegen die Demonstranten und versuchten, Farbige und Aktivisten der Arbeiter*innenbewegung zu terrorisieren.

Diese Bewegung lehnt nicht nur die Demokratische Partei ab, sondern auch den Parlamentarismus, die Kompromisse zwischen RP- und DP-Politikern, den offiziellen Antirassismus, die Gleichberechtigung der Frauen,Toleranz gegenüber Homosexuellen, die Manistream-Medien, die Migrant*innen… Dem gegenüber gestellt wurde ein amerikanisch-patriotischer “Volkswille”, der sich auf die Verfassung berief, die angeblich von den “Liberalen” verraten wurde. Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung wurden als perfide Verschwörung zur Unterjochung und Domestizierung des freien amerikanischen Volkes abgelehnt.

Dass in diesem Klima die Anschuldigungen Trumps über einen angeblichen Wahlbetrug bei den Präsidentschaftswahlen griffen, ist wenig erstaunlich. Während des gesamten Wahlkampfs hatte sich Trump als der Verteidiger von law and order präsentiert, mit dem Einsatz von Bundespolizei und Nationalgarde die Repression während der Proteste gegen den Polizeiterror zugespitzt und Sympathien für die faschistischen Banden geäußert

Das Komplott in Michigan zur Entführung und Ermordung von Gouverneurin Gretchen Whitmer (DP) im Oktober 2020 war eine ernsthafte Warnung, wieweit die bewaffneten faschistischen Trumpunterstützer zu gehen bereit wären.

Die Tumulte vom 6. Januar können aber keineswegs als versuchter Putsch oder versuchte faschistische Machtergreifung interpretiert werden. Trump hat die Faschisten benutzt, um Druck auf die parlamentarischen Institutionen auszuüben, aber die Faschisten haben ihre eigenen Ziele: die Institutionen zu stürzen, das Patriarchat wiederherzustellen, das Land ethnisch zu säubern. In den Morgenstunden des Tages, an dem im Kapitol die Stimmen der Wahlmänner abgesegnet werden sollten, hatte Trump zu einer Menge von mehreren Tausend Menschen gesprochen und neuerlich behauptet, man wolle ihm die “Wahl stellen” – der Auftakt zu jener Demonstration, die dann zum Tumult vor und im Kapitol geführt hatte. Bereits seit Wochen hatten weiße Rassisten, Nazis, Alt Right-Gruppen, Qanon-Anhänger und Milizen für den 6. Jänner mobilisiert. Der Sturm auf den Kongress (wo sich Repräsentantenhaus und Senat versammelten, um die WahlBidens zu bestätigen) war also keine Überraschung.

Die Tea Party und dann der korrupte Milliardär schafften es, die Unzufriedenheit der Basis der Republikanischen Partei in der Bevölkerung „gegen Washingtons Eliten“ und Einwanderer zu kanalisieren, aber heute wartet ein Teil dieser Basisd nur darauf, dass Trump all diese Leute zur Hölle jagt und beschließt, eine Partei der „wahren Patrioten“ zu schaffen. Aber genau dieser Schritt, den Trump nicht oder noch nicht getan hat, würde dann das Rückgrat einer faschistischen Partei bilden, die für die Vorbereitung eines Staatsstreichs unverzichtbar wäre.

Warum hat Trump diesen Schritt nicht getan? Warum hat er ganz im Gegenteil, wenn auch nur in Lippenbekenntnissen, seine Anhänger schhließlich aufgefordert, nach Hause zu gehen, die Gewalt auf dem Capitol Hill verurteilt und versichert, dass der Übergang zu Biden in geordneten Bahnen verlaufen würde? Weil der größte Teil der amerikanischen Bourgeoisie, ihre Kapitaleigner und Manager der Industrie-, Handels- und Bankkonzerne sowie die Stäbe ihrer Armee, die Chefs der Geheimdienste und der Bundespolizei, das Abenteuer des Faschismus in der gegenwärtigen Situation ablehnen, da sie nicht dazu gezwungen sind. Trump selbst dachte, er könne seine Ziele durch Wahlen erreichen, um eine zunehmend nationalistische und bonapartistische Politik zu betreiben.

Der Handstreich konnte nicht gelingen. Trump, der versprochen hatte, sich ihnen anzuschließen, ließ die Demonstranten ohne Perspektive zurück und die Faschisten wussten nicht, was sie mit dem Capitol anfangen sollten. Die Polizeistationen und Kasernen hatten sich nicht erhoben. Es gab keine Pläne, die Kontrolle über wichtige Infrastrukturbereiche wie Telekommunikationszentren, Serverfarmen, Bahnhöfe, Flugplätze usw. zu übernehmen.

Bemerkenswert ist jedoch, dass (wie die Videos zeigen) Polizeibeamte den Angreifern signalisierten, wo sie eindringen konnten und ihnen den Weg wiesen. Während der Anti-Polizei- und Anti-Rassismus-Demonstrationen in Washington, D.C., hatte die Polizei das Kapitol dicht abgesperrt, die Nationalgarde war in Bereitschaft, und Tränengas, Schlagstöcke und Gummigeschosse wurden eingesetzt, um die Demonstranten brutal zurückzudrängen, die es noch nicht einmal bis zum Eingang des Gebäudes geschafft hatten.

Offensichtlich ist eine Mehrheit der amerikanischen Bourgeoisie und ihrer politischen Vertreter*innen nicht bereit, komplett mit den Traditionen der “amerikanischen Demokratie” zu brechen. Das System der präsidialen Demokratie enthält ausreichend bonapartistische Elemente, um mit innen- und außenpolitischen Krisen fertig zu werden. Selbst früher extrem Trump-nahe Senatoren und Abgeordnete des Repräsentantenhauses müssen sich nun von ihm distanzieren, wollen sie nicht Gefahr laufen, in den kommenden Jahren an ihrer Stellung zum in Verruf geratenen Rüpel Trump gemessen zu werden. Ein Beispiel ist Vizepräsident Mike Pence, der Trump bis zur Proklamierung des Wahlergebnisses treu gedient hat. Am 6. Januar hat er sich den Regeln und Institutionen des Staates gebeugt. Damit hat er sich möglicherweise schon für die nächsten Präsidentenwahlen als möglicher Kandidat der RP in Stellung gebracht.

Obwohl bei der Abstimmung auf dem Capitol Hill schließlich 8 Senatoren und 139 Abgeordnete der Republikanischen Partei gegen Bidens Nominierung stimmten, ist die amerikanische Bourgeoisie heute nicht gezwungen, die gefährliche Karte des Faschismus zu spielen, weil die amerikanische Arbeiterklasse beiden bürgerlichen Parteien politisch untergeordnet bleibt. In diesem Stadium war es nicht gerechtfertigt, den demokratischen Schleier zu zerreißen, der die Diktatur des Großkapitals verbirgt, und den Staat einem Abenteurer zu überlassen.

Die Volksfronten auf der einen Seite und der Faschismus auf der anderen Seite sind die letzten politischen Mittel des Imperialismus im Kampf gegen die proletarische Revolution. (Leo Trotzki, Übergangsprogramm, 1938)

Vom Moment der Wahl an war die Entscheidung der Bourgeoisie klar. Der Fernsehsender Fox zog seine Unterstützung für Trump zurück. Die staatlichen Gerichte und der Oberste Gerichtshof wiesen alle Einsprüche des Anwalts Giuliani und des unterlegenen Kandidaten zurück. Kurz vor dem Einmarsch in das Kapitol verkündeten zehn ehemalige Verteidigungsminister, darunter Mattis und Esper, die in Trumps Kabinett gedient hatten öffentlich, dass eine Beteiligung der Streitkräfte an Trumps Manövern nicht in Frage komme (Washington Post, 3. Januar). Kurz nach dem Sturm auf das Kapitol und der Auszählun der Wahlmännerstimmen forderten 170 Vertreter*innen von US-Großkonzernen die Anerkennung des Wahlergebnisses und damit die Rückkehr zur politischen Normalität. Zu den Unterzeichnern gehörten Lee S. Ainslie, III, Managing Partner, Maverick Capital Simon Allen, Chief Executive Officer, McGraw-Hill Education, Inc., Ajay Banga, Executive Chairman, Mastercard, Jonathan D. Gray, President & COO, Blackstone, Adam M. Blumenthal, Managing Partner, Blue Wolf Capital Partners, Theodore Mathas, Chairman & CEO, New York Life Insurance Company oder Albert Bourla, Chairman & CEO, Pfizer Inc.

Wichtige Financiers der Republikanischen Partei kündigten an, Zuwendungen an Senatoren und sonstige Spitzenpolitiker der RP zu streichen, die sich hinter Trumps Pläne zur Verhinderung der Wahl Bidens gestellte hatten. Dazu gehören Disney, WalMart, Amazon, Dow Chemical, Visa. Andere Konzerne stellten laut eigenen Angaben die Zahlungen an alle Republikanischen PACs (Political Action Committees), unabhängig von deren Haltung zu Trumps Kampagne, ein, darunter Schwergewichte wie Google, Microsoft und Coca Cola.

Das Wesen der Volksfront besteht darin, die Arbeiterorganisationen einer oder mehreren bürgerlichen Parteien, die als fortschrittlich, antifaschistisch oder antiimperialistisch dargestellt werden, unterzuordnen, um den bürgerlichen Staat zu retten und einem revolutionären Aufschwung der Massen entgegenzuwirken. In den USA praktizieren Sanders, die DSA und CPUSA, SAlt: die schwarzen Führer der NAACP oder BLM, die Gewerkschaftsführer der AFL-CIO oder CtW, eine Art umgekehrte Volksfront: Sie werfen die Arbeiterklasse in die Arme einer Ausbeuterpartei, die sie vor nichts schützt.

Die Spitzen der US-amerikanischen Gewerkschaftsverbände haben sich vollständig der Demokratischen Partei untergeordnet. Während in einzelnen Gewerkschaften (Hafenarbeiter, Krankhauspersonal) klassenkämpferische Locals versuchen, die Arbeiter*innen für die Verteidigung ihrer Errungenschaften zu mobilisieren, verkaufen die Bürokraten der AFL-CIO ganz offen die Arbeiter*inneninteressen an die Bourgeoisie. So erklärte AFL-CIO-Präsident Richard Trumka nach den Präsidentschaftswahlen am 7. November:

Die Demokratie setzt sich durch. Joe Biden und Kamala Harris‘ Sieg in dieser freien und fairen Wahl ist ein Sieg für Amerikas Arbeiterbewegung. (…) Lassen Sie uns klar sagen: Gewerkschaftlich organisierte Wähler haben diese Wahl für Biden und Harris ermöglicht. (…)

Jetzt steht der AFL-CIO bereit, um dem designierten Präsidenten und der designierten Vizepräsidenttn dabei zu helfen, eine längst überfällige Agenda für die Arbeitnehmer umzusetzen.

Democracy is prevailing. Joe Biden and Kamala Harris’ victory in this free and fair election is a win for America’s labor movement. (…) Let’s be clear: Union voters delivered this election for Biden and Harris. (…)

Now the AFL-CIO stands ready to help the president-elect and vice president-elect deliver a long overdue workers’ first agenda.

Die Rechnung der Gewerkschaftsbürokraten ist offensichtlich: Wir haben die Arbeiter*innen zu euren Gunsten zur Stimmabgabe für Biden bewegt, nun gebt uns wenigstens ein paar Gesetze, die wir unserer Basis als Erfolg verkaufen können.

Alle Gewerkschaftsbürokratien und Vertreter’inenn der „Identitätspolitik‟ haben die Bewegung gegen die Polizei in Wahlillusionen kanalisiert, sie alle haben Biden den notwendigen Anstrich gegeben, um ihre Stimmen zu schnappen, um sich vor der Arbeiterklasse und der Jugend als derjenige zu präsentieren, der ihre Wünsche erfüllen wird – oder zumindest einige von ihnen. Was er natürlich nicht tun wird.

Die Bourgeoisie hofft, dass Biden die Ruhe und den Wohlstand der Wirtschaft wiederherstellen kann. Diese Hoffnung ist vergeblich. Die Widersprüche, die den US-Imperialismus bedrängen, werden nicht gelöst werden, im Gegenteil. Der US-Imperialismus kann nicht wie mit einem Zauberstab seine unbestrittene Macht der Vergangenheit zurückgewinnen. Wir leben in Zeiten wirtschaftlicher Auseinandersetzungen und globaler Spannungen zwischen den großen Imperialismen, einer unsichere wirtschaftlichen Erholung, ganz zu schweigen von der Fortsetzung der Coronavirus-Pandemie, die auf Biden warten. Um den US-Imperialismus zu verteidigen, muss er notwendigerweise innenpolitisch die Angriffe auf die Arbeiterklasse, die Bespitzelung der Bevölkerung und die polizeiliche Repression fortsetzen. Nach Außen muss er Trumps aggressive Politikgegen Regierungen, die sich ihm widersetzen (Venezuela, Iran…) und gleichzeitig gegen seine wichtigsten imperialistischen Rivalen (Deutschland, Russland und vor allem China) fortsetzen. Es gibt vielfältige Verbindungen zwischen militärischer Einmischung im Ausland und polizeilicher oder faschistischer Gewalt in den Vereinigten Staaten: Waffen und Ausrüstung, die Ideologie der „Aufstandsbekämpfung“ und des Rassismus, die miteinander verschmolzenen Karrieren der Beamten und der Basis in den Unterdrückungskräften, die Ausbildung ausländischer Polizisten…

All die Frustrationen des amerikanischen Volkes über den Verlust des Einflusses des US-Imperialismus, sowohl als Folge der wirtschaftlichen Entwicklung als auch als Ausdruck dieses Niedergangs, werden nicht verschwinden, sondern verstärkt werden. Deshalb ist der Angriff auf das Kapitol wenn nicht ein Staatsstreich, so doch eine Warnung an die gesamte US-Arbeiter*innenklasse und darüber hinaus.

Biden wird die Illusionen des Teils der Kleinbourgeoisie, der ihn unterstützt hatte, über wegfegen: Freiberufler, leitende Angestellte… Wie alle seine demokratischen Vorgänger wird er wiederum gegen die Arbeiterklasse regieren. So kann der Faschismus, solange, bis er einen Führer und eine Partei findet, immer bedrohlicher werden.

Die Angriffe auf antifaschistische Demonstrationen im vergangenen Jahr, der Sturm auf das Kapitol von Michigan durch bewaffnete Milizen, Brandbombenanschläge auf Gewerkschaftsgebäude während reaktionärer Aufmärsche zeigen, dass das Potenzial der offen zum “Rassenkrieg” und zur “Ausrottung des Kommunismus” aufrufenden Gruppen zugenommen hat.

Angesichts der Auswirkungen der Corona- und Gesundheitskrise, dem Versagen des Gesundheitssystems, der schreienden Ungerechtigkeit in der Gesundheitsversorgung, der Verelendung der Massen durch Betriebsschließungen und Sparmaßnahmen, Firmenzusammenbrüchen, der gesteigerten Ausbeutung angesichts der chinesischen Konkurrenz. der kolossalen Verschuldung der studierenden Jugend für die Studienkredite, der Obdachlosigkeit, der geschätzen 12 Millionen „illegalen‟ Einwander*innen, dem Polizei- und Staatsrassismus ist eine dringende Notwendigkeit, dass sich die Lohnarbeiter*innen, Arbeitslosen und Prekarisierten in den USA – unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihrem Geschlecht und ihrem legalen Status – zusammenschließen und ihre eigenen Klasseninteressen gegen die Bourgeoisie durchsetzen.

Der Kampf für die Verteidigung und Ausweitung der demokratische Freiheiten ist für die Lohnabhängigen direkt mit dem Kampf gegen die korrupten Gewerkschaftsbürokratien und die Bürokratien der Massenorganisationen der Unterdrückten verbunden-

In den Vereinigten Staaten ist der Kampf für die Arbeiterdemokratie in erster Linie ein Kampf der Basis um die demokratische Kontrolle ihrer eigenen Organisationen. Das ist die notwendige Bedingung, um den endgültigen Kampf zur Abschaffung des Kapitalismus und zur „Errichtung der Demokratie“ im ganzen Land vorzubereiten. Keine Partei in diesem Land hat das Recht, sich sozialistisch zu nennen, wenn sie nicht entschlossen für die einfachen Arbeiter der Vereinigten Staaten gegen die Bürokraten eintritt.(…) Der Kapitalismus überlebt als Gesellschaftssystem nicht durch seine eigene Stärke, sondern durch seinen Einfluss innerhalb der Arbeiterbewegung, der sich in der Arbeiteraristokratie und der Bürokratie widerspiegelt und ausdrückt. Der Kampf für die Arbeiterdemokratie ist also untrennbar mit dem Kampf für den Sozialismus verbunden und ist die Bedingung für dessen Sieg.

In the United States, the struggle for workers’ democracy is preeminently a struggle of the rank and file to gain democratic control of their own organisations. That is the necessary condition to prepare the final struggle to abolish capitalism and “establish democracy” in the country as a whole. No party in this country has a right to call itself socialist unless it stands foursquare for the rank-and-file workers of the United States against the bureaucrats.(…) Capitalism does not survive as a social system by its own strength, but by its influence within the workers’ movement, reflected and expressed by the labour aristocracy and the bureaucracy. So the fight for workers’ democracy is inseparable from the fight for socialism, and is the condition for its victory. (James P.Cannon, Sozialismus und Demokratie, 1957)

Die Stellung zur Polizei ist im Übrigen auch ein Pr+fstein für die „Identitätspolitiktspolitik‟ der kleinbürgerlichen Linken. Die Akzeptierung der „Indentitäspolitik‟ der Demokratischen Partei und der Führungen der feministischen und Farbigenorganisationen durch die Reformist*innen und Zentrist*innen ist eine Sackgassen. Sie schwächt die Unterdrückten und spaltet die Arbeiter*innenklasse. Nur die Hegemonie der Arbeiter*innenkalsse kann zum Sieg führen.

Weder die Hautfarbe noch das Geschlecht machen Menschen „fortschrittlicher‟als andere – „it’s the class struggle, stupid!‟. Die jetzige Vizepräsidenten Kamala Harris, von der liberalen Presse wegen Herkunft, Hautfarbe und Geschlecht besonders gefeiert, war im Laufe ihrer politischen Karriere aufgrund all dieser Eigenschaften um nichts besser oder schlechter als andere demokratische oder republikanische Politiker*innen: 2011 vermied sie es als Generalstaatsanwältin von Kalifornien, in Fällen, bei denen Polizisten Schwarze ermordeten, zu intervenieren.

Im Gegensatz zu den Zentrist*innen und Linksreformist*innen aus der CWI-Tradition sagen wir nicht, das Polizist*innen „Arbeiter*innen in Uniform‟ sind – sie sind Büttel der herrschenden Klasse und haben in Arbeiter*innenorganisationen nichts verloren.

„Wir können (…) siegen, aber wir brauchen eine kleine bewaffnete Einheit mit der Unterstützung der großen Masse der Arbeiter. Wir brauchen die beste Disziplin, organisierte Arbeiter, Verteidigungskomitees; andernfalls werden wir zermalmt werden.‟ (Trotzki, Diskussion zum Übergangsprogramm , 7. Juni 1938)

Das war es, was die SWP, die amerikanische Sektion der 4. Internationale, 1939 erfolgreich praktiziert hatte, trotz der Ablehnung jeder Einheitsfront durch die SPA und die CPUSA. Sie hatte den Angriff auf faschistische Organisationen in Los Angeles, Minneapolis und New York angeführt und mobilisierte bewusste Arbeiter*innen, darunter viele „kommunistische“ Aktivist*innen, sowie viele junge Jüd*innen und Juden und Afroamerikaner*innen.

Heute betrachten DSA, CPUSA, SAlt, SPUSA… Polizeibeamte als Arbeiter wie alle anderen auch und sprechen nicht von Selbstverteidigung gegen Faschisten. Dennoch ist dies der erste praktische Schritt der revolutionären Massenbewegung um sich zu organisieren und gegen faschistische Banden und die Polizei zu verteidigen, unabhängig von allen Fraktionen der Bourgeoisie, von ihrer Legalität und ihrem Staatsapparat, von ihren Parteien, um den Weg für eine fortschrittliche Alternative zur kapitalistischen Krise und der zunehmenden faschistischen Gefahr zu ebnen – die Arbeiter*innenregierung, die Enteignung des Großkapitals. Die konsequenten revolutionären Militanten müssen, wenn sie die revolutionäre Arbeiterpartei aufbauen wollen, an der es so sehr mangelt, sich neu gruppieren und die Hauptverfechter dieser Orientierung sein. Sie ist untrennbar mit der Verteidigung ausländischer Arbeiter*innen und Studierender auf amerikanischem Boden und dem Kampf gegen Militarismus und Militärinterventionen im Ausland verbunden.

27.1.2021

Kollektiv Permanente Revolution