Zwischen 28. Dezember und 5. Januar marschierten Zehntausende von Arbeitern und Jugendlichen trotz erheblichen Risiken in vielen Städten des Irans durch die Straßen. Arbeiter, Angestellte, Arbeitslose, Bauern und Studenten protestierten für die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage und forderten so das despotische Regime der Islamistischen Bourgeoisie heraus.
Das derzeitige Regime ist aus der Konterrevolution von 1979-1981 hervorgegangen
1978 beginnt eine proletarische Revolution im Iran. Sie stürzt das despotische Regime des Schah Mohammad Reza Pahlavi, das eine Säule der amerikanischen Weltordnung ist. Ab Februar 1978 kommt es in den großen Städten zu Unruhen. Der Schah unterdrückt sie gewaltsam durch die Armee, deren Basis aus Wehrpflichtigen besteht. Am 10. Oktober 1978 streiken die Arbeiter in der Raffinerie in Abadan. Die Dynastie bricht zusammen, als die Arbeiterklasse im November 1978 einen Generalstreik beginnt, sich am 1. Februar die Kurden erheben, als Regimenter in Teheran am 9. Februar 1979 auf die Seite des Volks wechseln. Guerillaorganisationen (PDKI , Komala, Fedayeen, Mojahedin …) verteilen, wie in der Hauptstadt, Waffen in Kurdistan und bieten den zur Monarchie loyalen Truppen militärisch die Stirn.
Binnen einiger Wochen wird die Meinungsfreiheit durchgesetzt und Arbeiterräte (Shoras) entstehen in großen Unternehmen. Aber die Arbeiterklasse ist sozial in der Minderheit und es gibt keine revolutionäre Arbeiterpartei, die in den Shoras intervenieren und sie weiterentwickeln könnte. In den vorhergehenden zehn Jahren haben die zentristischen Strömungen, die mit der reformistischen Tudeh-Partei gebrochen haben und sich auf den Guerillakampf zu bewegten, der Arbeiterklasse den Rücken gekehrt. 1978 stehen Fedayeen und Komala Peykar, ohne es zu wissen, der Partei der Sozialrevolutionäre im Jahr 1917 näher als der bolschewistischen Partei.
Um die Revolution zu stoppen, spielte die lokale Bourgeoisie mit Unterstützung des französischen Imperialismus die Karte des religiösen Führers, Ayatollah Ruhollah Mussawi Khomeini, aus. Er kehrte am 1. Februar mit einer von der französischen Regierung gecharterten Sondermaschine aus Frankreich zurück. Tatsächlich ist das die einzige konsequente Kraft die der Bourgeoisie geblieben ist, nachdem die Massenbewegung den Schah gestürzt und der inmitten der politischen Katastrophe ernannte Premierminister unfähig scheint, die Revolution einzudämmen. Die schiitische Geistlichkeit hat sich stets der Modernisierung des Landes widersetzt. Die islamistische Reaktion spielte beim Militärputsch 1953, der den bürgerlichen Nationalisten Mossadegh stürzte und die Monarchie wieder her stellte eine wichtige Rolle. Die Monarchie unterdrückt gewaltsam mit Hilfe der Regierungen der USA die Arbeiterklasse, die Studenten, nationale Minderheiten. Khomeini und andere schiitische Geistliche widersetzen sich der „weißen Revolution“ des Schahs, weil diese eine Landreform begann, die Industrie und die Banken auf Kosten des Handels und Wuchers begünstigte, die rechtliche Gleichstellung der Frauen begann und historische Kontinuität des Iran bis zurück in die Antike (also vor der Islamisierung Persiens) pries.
Seit 1978 macht die klerikale Guerillaorganisation der Volksmojahedin einen Kniefall vor den Ayatollahs. Im Namen der „Revolution in Etappen“ und der „antiimperialistischen Einheitsfront“ ordnet die Mehrheit der Arbeiterbewegung die Ausgebeuteten und Unterdrückten einem Flügel der nationalen Bourgeoisie unter. Die mit der Bürokratie der UdSSR verbundene Partei (Tudeh) , die castristischen oder maoistischen Organisationen (Fedayeen, Peykar) sowie eine pseudo-trotzkistische Gruppe (HKE) präsentieren Khomeini als „progressiv“ und „antiimperialistisch“.
Tatsächlich übernimmt Khomeini schon kurz darauf die Führung des bürgerlichen Staates und rettet den iranischen Kapitalismus. Die Ayatollahs vereinen die schiitische Geistlichkeit, die Handelsbourgeoisie, die Armee der Monarchie, die Großgrundbesitzer, die Lumpen aus den Elendsvierteln, Kleinbauern und eine Minderheit von Studenten gegen die soziale Revolution. Ihre faschistischen Schläger (die hezbollahi), die Organisationen angreifen die sich sozialistisch nennen, entwaffnen die Massen, schließen für zwei Jahre die Universitäten, zerschlagen eine nach der anderen die revolutionären gesellschaftlichen Kräfte: Frauen, die sich dem Verschleierungszwang widersetzen, Studenten, die Gegner des Shah waren, das kleine und führungslose Proletariat, aufständische nationale Minderheiten (Kurden, Araber, Turkmenen …). Die „Partei Gottes“ verbietet und zerstört eine Organisation der Arbeiterbewegung nach der anderen. In keinem Moment leistet eine Einheitsfront der Arbeiter dem Islamofaschismus Widerstand.
Im März 1979 organisiert die Partei der Islamischen Republik ein Referendum (ohne Wahlgeheimnis) für die „Islamischen Republik“, bei dem sie 99,7% der Stimmen erhält (die Mojahedin und Tudeh rufen zum „Ja“ auf). Im April feiert Khomeini die Armee; im Juni verkündete er eine Amnestie für Militärs und Polizisten; im Juli verbietet er Anzeigen gegen Mitarbeiter der Repressionskräfte; im August verhängt er die Zensur (mit Zustimmung der Tudeh). Um sich ein antiimperialistisches Mäntelchen umzuhängen, lässt Khomeini am 4. November 1979 für 444 Tage die Besetzung der Botschaft der Vereinigten Staaten durch „islamische Studenten“ zu. Das ist ein Ablenkungsmanöver, rein symbolisch, im Gegensatz zum revolutionären Krieg in Vietnam und sogar den realen Maßnahmen von Nasser oder Mossadegh. Aber Idioten aller Art applaudieren der iranischen Geistlichkeit zur gleichen Zeit, als diese die Konterrevolution durchführt: der französische Philosoph Foucault, der Führer der PLO, Arafat, die stalinistischen Parteien in der ganzen Welt, die Revisionisten des Trotzkismus (vor allem die amerikanische SWP und die britische WRP).
Khomeini misstraut der vom Schah geerbten Armee. Er schafft im Mai 1979 die Pasdaran (“Revolutionswächter“) und im November 1979 die Basiisj (“Mobilisierte”). Innerhalb der islamistischen Koalition setzen sich die Ayatollahs, die über eine hohe Popularität und fanatisierte bewaffnete Banden verfügen, gegenüber ihren zivilen bürgerlichen Rivalen durch. Bazargan wird im November 1979 beseitigt, Banisadr im Juni 1981 trotz der Unterstützung durch die MEK (Mojahedin) davongejagt.
Am 2. und 3. Dezember 1979 bestätigt ein Referendum mit 98% der Stimmen die von den Ayatollahs maßgeschneiderte Verfassung. Die bärtigen Turbanträger geben vor, dass sich der Staat auf ihren Gott gründet. Da sich Gott kaum selbst äußert, herrschen nun die religiösen Spitzen über das gemeine Volk.
- Die wichtigste Institution ist der „Führer“. Es wird von einem „Expertenrat“ bestehend aus 86 religiösen Führern ernannt.
- Der „Wächterrat“ prüft die Übereinstimmung von Gesetzen mit der islamischen Religion und wählt die Kandidaten für Parlamentswahlen und die Präsidentschaftswahl aus. Die 12 Wächter werden vom Führer ausgewählt.
- Der „Präsident“ regiert unter der Autorität des Führers. Er wird für vier Jahre bei allgemeinen Wahlen gewählt.
- Eine „islamische beratende Versammlung“ ist das Parlament (Majlis), das den Staatshaushalt und andere Rechtsvorschriften unter Kontrolle des Wächterrats genehmigt. Sie besteht aus fünf Vertretern der zugelassenen religiösen Minderheiten und 285 Mitglieder, die durch allgemeinen Wahlen gewählt werden.
Die militärische Aggression gegen den Irak im September 1980, die von den westlichen imperialistischen Mächten gefördert wird, konsolidiert das klerikale konterrevolutionäre Regime, das sich als “Verteidiger des Vaterlands” aufspielt. Der Iran beschafft sich Waffen aus der UdSSR, Nordkorea, China, und, im Geheimen, den Vereinigten Staaten (in der damaligen Rhetorik der Islamisten der „Große Satan“) sowie Israel ( „Mutter des Satans“).
Das totalitäre Regime ermordet zwischen 1981 und 1985 mindestens 8.000 Gegner. Im Juli 1988, als es den Waffenstillstand mit dem Irak unterzeichnet, exekutiert es in vier Wochen 2.800 Gefangene, meist Aktivisten der Arbeiterbewegung (HKS, Komala, Fedayeen, Peykar, Tudeh …).
Heute glauben Strömungen, die beanspruchen, Trotzkisten zu sein (LOI in Argentinien, CWG in Neuseeland, SWP in Großbritannien, RKOB in Österreich, IS in Argentinien …) immer noch dass die Islamisten Anti-Imperialisten, sogar Revolutionäre, seien. Die Bilanz der islamischen Konterrevolution im Iran ist, dass in den beherrschten Ländern religiöse Führer in der Lage sind, fanatisierte Lumpen zu mobilisieren, um physisch das Proletariat und die nationalen Minderheiten zu vernichten.
In diesem Sinne leistet der Islamismus dem weltweiten imperialistischen System den größten Dienst. Die weitere Entwicklung der Islamischen Republik bestätigt die Theorie der permanenten Revolution, die ausgehend von der Erfahrung der russischen und chinesischen Revolution formuliert wurde: in der imperialistischen Epoche ist keine Fraktion der Bourgeoisie der unterdrückten Länder in der Lage, die imperialistischen Mächte tatsächlich zu bekämpfen.
Die Widersprüche der Diktatur der islamistischen Bourgeoisie spitzen sich zu
Der Islamofaschismus benutzte 1978-1981 eine anti-imperialistische und sogar die Gleichheit betonende Sprache. Aber die untergeordneten Klassen, die dem Klerus folgten, sind betrogen worden, und das Land bleibt dem weltweiten Kapitalismus untergeordnet.
Im Jahr 1979 konnte sich die nationale Bourgeoisie halten. Das Familienunternehmen des Schahs und der Kapitalisten, die mit ihm geflohen waren, wurden verstaatlicht. Neue kapitalistische Spieler sind aufgetaucht, vor allem staatlich geförderte religiöse Stiftungen mit undurchsichtiger Buchhaltung, die jeglicher Besteuerung entgehen. Religiöse Institutionen (einschließlich dem Obersten Führer und die Pasaran) sind wahre kapitalistische Konzerne, die Waffen Energie, Telekommunikation, Chemie, Landwirtschaft …, produzieren und verkaufen. Daher verschärft sich die Ungleichheit von Einkommen und Vermögen.
Mit Öleinnahmen finanziert der bürgerliche Staat einen aufgeblähten Apparat, der einem Teil der deklassierten städtischen Schichten und der ruinierten Bauernschaft Arbeitsplätze (Beamte, Revolutionsgarden, Basij) bietet. Mit den Öleinnahmen subventioniert der Staat auch Treibstoff und Grundnahrungsmittel.
Der von den Vereinigten Staaten trotz der Vereinbarungen von 2015 aufrechterhaltene Druck, die anhaltende Schwäche der Industrie und Landwirtschaft sowie der Rückgang der Preise für Öl und Erdgas im Jahr 2014 stellen das Regime vor wirtschaftliche, politische und ideologische Schwierigkeiten. Die Lohnabhängigen sind Opfer von Privatisierung, Outsourcing, Prekarisierung der Beschäftigung und dem Verbot von Gewerkschaften und Streiks. Kleinbauern werden durch die Konzentration von Land und die Umweltkrise ruiniert. Kleine Händler stehen in Wettbewerb mit neuen Einkaufszentren. Die Jugend beider Geschlechter ist gebildeter als in anderen Ländern in der Region, aber sie sehnt sich auch nach mehr Beschäftigung, Meinungsfreiheit und dem Ende der sexuellen Apartheid. Frauen lehnen zunehmend ihre Demütigung und die religiöse Sittenpolizei ab. Die ausgebeuteten und halb ausgebeuteten Klassen leiden massiv unter Arbeitslosigkeit, hoher Inflation, steigenden Mieten …
Die iranische Regierung machte 2015 Zugeständnisse bei seinem Atomprogramm. Im Gegenzug erwartete sie, dass die mitunterzeichnenden imperialistischen Mächte des Abkommens (Vereinigte Staaten, China, Frankreich, Großbritannien, und Russland, allesamt mit einem Arsenal von Massenvernichtungswaffen ausgestattet, sowie Deutschland) die Wirtschaftssanktionen aufheben. Von solchen Sanktionen sind weder Israel noch Pakistan, zwei Verbündete der USA, die Kernwaffen besitzen, betroffen. Die Regierung hofft, dass Konzerne aus diesen Ländern im Iran investieren, aber dem stehen der hohe Verwaltungsaufwand und die durch die US-Regierung verursachte Unsicherheit entgegen.
Die Interventionen in der Region (Libanon, Irak, Syrien, Jemen …) finden unter Kontrolle des Führers und der “Revolutionswächter” (Pasdaran) statt. Die diplomatischen und militärischen Erfolge sind spektakulär und das schmeichelt dem Nationalgefühl, sind aber sehr teuer für ein Land, das in vielerlei Hinsicht unterentwickelt bleibt. Ein weiterer Rückschlag ist, dass die ursprüngliche Forderung des theokratischen Regimes, alle Muslime der Welt zu führen, auf die Verteidigung der Schiiten, eine kleine Minderheit im Islam, reduziert ist.
Die Spitzen des Staates und der iranischen Bourgeoisie zerfleischen sich sowohl wegen der internationalen wie der Innenpolitik. Diese Spaltung hat zum Verschwinden der Einheitspartei (der “Partei der islamischen Revolution“ ) 1987 geführt. Sie kam nach dem Tod von Khomeini im Jahr 1989 ans Licht.
- Die „Konservativen“ um den Obersten Führer (Khamenei, 78, designierter Nachfolger von Khomeini 1989) verweigern demokratische Zugeständnisse, weil sie fürchten, dass die Massen sie zum Sturz der islamischen Republik benützen werden.
- Die „Reformer“ um den Präsidenten (Hassan Rohani, 69, im Jahr 2013 gewählt, 2017 wiedergewählt) versucht durch Verhandlungen mit den imperialistischen Bourgeoisien für Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft beizutragen und so die Infragestellung der Islamischen Republik zu vermeiden.
Im Sommer 2009 starten die „Reformer“ eine Welle von massiven Protesten nach der Wiederwahl des „konservativen“ Präsidenten Ahmadinejad (genannt “grüne Bewegung”). Viele junge Menschen und Frauen beteiligen sich an Demonstrationen in großen Städten. Obwohl gewaltsam unterdrückt (über 150 Tote), eröffnen sie einen Reigen von Volksaufständen in der Region gegen die fälschlich anti-imperialistisch genannten und tatsächlich despotischen Regimes (Tunesien Ende 2010, Anfang 2011 Ägypten und Syrien im Frühjahr 2011, etc.).
Jedoch darf man weder den inneren Zusammenhalt jedes Pols noch die Unterschiede zwischen ihnen überschätzen: alle sind aus der Konterrevolution von 1979-1981 hervorgegangen. Beide Cliquen oder Seilschaften sind Kapitalisten; beide wollen den iranischen Kapitalismus gegen äußere Bedrohungen verteidigen; beide verteidigen die „Theokratie“ (klerikale Willkür); beide sind sich einig in der Unterdrückung der Arbeiter, Studenten, Frauen, Kurden; beide sind sowohl für Privatisierungen und Einschränkungen bei den Sozialausgaben.
Der Staatshaushalt für 2018 löst Massenproteste aus
Obwohl alle Medien in den Händen des Regimes sind, erlauben es die Spaltung der islamischen Bourgeoisie und ihre gegenseitigen Angriffe, allen Menschen zu sehen, dass sich alle Fraktionen hemmungslos bereichern, korrupt sind und die Verelendung der Massen steigt.
Diese spontane landesweite Bewegung wurde von monatelangen Diskussionen über die steigende Ungleichheit in sozialen Netzwerken, von verstreuten Bauernprotesten gegen die Folgen der Dürre, durch Dutzende von Streiks und Demonstrationen der Arbeiter gegen verspätete Lohnauszahlungen und Entlassungen, durch die Auflehnung eines Teils der Frauen und Jugend gegen die Fesseln der Frömmler vorbereitet.
Die Spaltung der islamistischen Bourgeoisie und die Schwächung ihres Zugriffs auf Arbeiter, Angestellte, Beamte und Deklassierte erlaubte es den Demonstranten Ende 2017 bis Anfang 2018, gemeinsam auf die Straße zu gehen und das gesamte Regime anzugreifen.
- Im Dezember 2017 präsentierte Rohani den Budgetentwurf 2018 und enthüllte dabei die enormen Zuschüsse für religiöse. Die „Reformer“ versuchen, die Unzufriedenheit der Bevölkerung umzulenken, da dieses Budget Subventionen für Grundnahrungsmittel beseitigt (vor allem für Eier) und Benzin, und die Sozialleistungen für die Armen halbiert.
- Als Reaktion greifen zahlreiche Produktionsfirmen und Websites, die mit den Revolutionsgarden verknüpft sind, den Sparkurs der Regierung an. Am 28. Dezember veranstaltet der „konservative“ Ayatollah Alomolhoda in Mashhad, der zweitgrößten Stadt des Iran, eine Demonstration von 200 Frauen im Tschador gegen die hohen Lebenshaltungskosten und gegen Präsident Rohani.
Aber schnell überschwemmt in Machhad eine Masse von Arbeiterinnen und Arbeitern, Arbeitslosen und Jugendlichen den ursprünglichen Demonstrationsmarsch und beginnt mit Sprechchören gegen das Regime, den Obersten Führer und die Geldabflüsse im Namen einer “Hilfe ans Ausland”. Das gleiche geschieht in Racht, und am nächsten Tag dehnen sich die Proteste auf das ganze Land aus und erfassen 80 Städte.
Die Neuheit an den Demonstrationen des Winters 2017-2018 ist:
- sie entziehen sich der Kontrolle aller bürgerlichen Fraktionen
- sie erfassen auch kleine Städte (die bisher für „konservative“ Kandidaten stimmten);
- sie sind breiter als vorhergehende (Dominanz der Arbeiter, Studenten, Angestellte, Arbeitslose, verarmte Bauern …);
- die Forderungen sind nicht nur politisch, sondern auch sozial
Nach Angaben der britischen Website Hopi sind Slogans zu Gunsten einer monarchischen Restauration, die durch die Zerstörung der Arbeiterbewegung erleichtert werden, selten und werden oft mit anderen Slogans beantwortet, die sowohl die Monarchie wie auch die Theokratie zurückweisen (Yassamine Mather, Protests by impoverished, hungry Iranians, 2. Januar 2018). Im Gegensatz scheint sich die Unzufriedenheit oft gegen die Ausgaben im Ausland, vor allem in Palästina (Gazastreifen, der von der sunnitischen islamistischen Partei Hamas kontrolliert wird), Libanon (schiitische islamistische Partei Hisbollah und ihren sozialen und militärischen Aktivitäten) und Syrien (militärische Operationen der Pasdaran, der libanesischen Hisbollah und Schiitenmilizen, die das Assad-Regime gerettet haben) zu richten.
Präsident Trump hat Iranern die Einreise in die Vereinigten Staaten verboten. Die Vereinigten Staaten, Israel und Saudi Arabien stehen in Westasien in Konkurrenz mit Russland, der Türkei und dem Iran. Sie haben in den letzten Monaten die Drohungen gegen den Iran vervielfacht. Die offene Unterstützung von Trump und Netanjahu schwächt die Demonstrationen (die Iraner wissen, dass der Imperialismus Staaten zum Nachteil ihrer Bevölkerung zerstört) und stärkt das System (alle Fraktionen der Bourgeoisie und die Medien prangern die “ausländische Einmischung” an). Europäische Regierungen, die die Öffnung des iranischen Kapitalismus für ihr Kapital nützen wollen, sind vorsichtiger. Russland und China unterstützen das Regime.
Die Regierung zensuriert die sozialen Netzwerke. Die Repression ruht im Wesentlichen auf der Polizei, die von der Regierung geführt wird (und weniger als 2009 auf den Revolutionsgarden und den Basij, die dem Obersten Führer unterstehen). Es gab 22 Tote, 3.700 Verhaftungen. Die Repression durch die „Reformer“ wird von massiven Gegendemonstrationen der „Konservativen“ ergänzt. Die jüngsten Proteste fanden in der Nacht vom 4. auf den 5. Jänner statt.
Für den Sturz der Islamischen Republik, für die Arbeiter- und Bauernregierung
Damit die nächste Welle siegt, die Forderungen durchsetzt und mit dem islamischen Regime Schluss macht, müssen nicht nur die beiden Fraktionen des Regimes zurückgewiesen, sondern auch alle Agenturen der westlichen imperialistischen Mächte wie die Monarchisten und rivalisierenden Islamisten (Mojahedin) weggeschoben werden. Die Liquidation der islamistischen Bourgeoisie durch die sozialistische Revolution wäre ein Schlag gegen die benachbarten Bourgeoisien, den Zionismus, die ganze islamistische Reaktion und den Weltimperialismus.
Die Arbeiterbewegung ist schwach, aber im Exil aktiv, in Unternehmen und Universitäten. Sie kann im Kampf der Unterdrückten und Ausgebeuteten die Führung übernehmen, wenn sie die Lehren aus den Verrätereien und Fehlern, die während der Revolution 1978 von der Tudeh und und den Fedayeen (von denen sich eine Fraktion später der Tudeh angeschlossen hat) begangen worden sind: Man darf keinem einzigen Flügel der iranischen Bourgeoisie vertrauen. Unseres Wissens nach haben damals nur die Sozialistische Arbeiterpartei HKS, die kurdische Guerillaorganisation Komala und die Fedayeen (Minderheit) auf Grund ihrer eigenen Erfahrungen verstanden, dass der Islamismus konterrevolutionär war.
Aber wir müssen auch von den im Exil von HKI und HKKI (beide mit Wurzeln in Komala) begangenen Fehlern lernen: Man darf kein Vertrauen in irgendeine imperialistische Bourgeoisie setzen (aus dem Westen wie dem Osten). Die Kommunistische Partei Irans (HKI) und die Arbeiterkommunistische Partei Irans (HKKI) setzen als Ersatz für proletarischen Internationalismus Appelle an Bourgeoisien (einschließlich der imperialistischen), dass diese Druck auf das islamische Regime machen.
HKI und HKKI fordern ebenfalls, dass die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) die Islamische Republik ausschließen soll. Nun ist aber die ILO keine Gewerkschaftsorganisation, sondern eine internationale bürgerliche Organisation, eine Einrichtung der UNO, die Regierungen, Kapitalisten und Gewerkschaftsbürokraten aller Länder zusammenfasst.
In ganz ähnlicher Weise appelliert die HKKI an „das Volk der Welt“ (?), dass es „Druck auf die europäischen Regierungen ausüben soll, damit diese keine weiteren Zugeständnisse an die Islamische Republik machen und die diplomatischen Beziehungen abbrechen“ (WCPI, To the People of the World, 31. Dezember 2017).
Nun ist aber der Iran ein vom Imperialismus dominiertes Land. Einer herrschenden Bourgeoisie eines imperialistischen Landes zu vertrauen ist noch gefährlicher als sich auf die Bourgeoisie eines beherrschten Landes zu verlassen. Das iranische Proletariat hat nichts durch (diplomatische, wirtschaftliche oder militärische) Sanktionen des Imperialismus gegen die „Islamische Republik“ zu gewinnen. Diese stärken nur das Regime.
Der Verbündete des Proletariats des Iran ist das internationale Proletariat. Die Arbeiterbewegung im Iran muss sich an die anderen Arbeiterorganisationen der Welt wenden für:
- Solidarität mit den Arbeiterinnen und Arbeitern des Iran, Freiheit für alle Klassenkriegsgefangenen!
- Demokratische Freiheiten, Rechte für die Arbeiterinnen und Arbeiter im Iran, Gewerkschaften und Parteien zu organisieren, ihre eigene Presse zu veröffentlichen, Versammlungsfreiheit, Streikrecht, Recht zu demonstrieren!
- Aufhebung aller europäischer und US-Sanktionen gegen den Iran! Recht für den Iran, ein Atomprogramm zu entwickeln!
- Freizügigkeit aller Arbeiterinnen und Arbeiter, Studenten und Studentinnen des Iran!
Für den Iran hat die HKKI nie eine Perspektive der sozialistischen Revolution eröffnet, eines Arbeiterstaates, der Arbeiter- und Bauernregierung. Sie äußerte sich nie dazu, was auf die bürgerliche „Islamische Republik“ folgen sollte, während es klar ist, dass es das Proletariat und die halb ausgebeuteten Klassen sein werden, die den Preis für den Sturz des Regimes mit ihrem Blut zahlen werden.
Der einzige Weg, von der Erfahrung des Klassenkampfes im Iran und in der Welt zu profitieren besteht darin, so schnell wie möglich eine kommunistische und internationalistische Organisation zu gründen um die Vorhut im Exil und innerhalb des Landes zu sammeln. Ziel dieser Organisation der Debatte und des Kampfs ist es, mit den Massen zu kämpfen, um eine revolutionäre Arbeiterpartei in Verbindung mit dem Aufbau der Revolutionären Arbeiterinternationale aufzubauen. Eine Internationale auf dem Boden des Programms des Bundes der Kommunisten, der Zimmerwalder Linken, der Kommunistischen Internationale, der IV. Internationale.
- Freilassung aller inhaftierten Demonstranten und Gewerkschafter!
- Demokratische Freiheiten, weltliche Republik, die durch eine demokratische konstituierende Versammlung geschaffen wird!
- Vollständige Trennung des Klerus vom Staat, keine staatliche Finanzierung religiöser Einrichtungen!
- Volle Gleichstellung von Frauen und Männern, Schluss mit der Verfolgung von Homosexuellen und Lesben!
- Recht der nationalen Minderheiten auf Selbstbestimmung!
- Zahlung der fälligen Löhne, Lohnerhöhungen, Anpassung der Löhne an die Preise!
- Keine Religion in Schulen, allgemeine öffentliche Erziehung, gratis und weltlich!
- Gesundheitsversorgung auf bestem Niveau für alle!
- Verteidigung von Protesten und Streiks! Auflösung der Revolutionsgarden, der Basij, von Armee und Polizei!
- Arbeitslosenunterstützung für alle, massive Schaffung von Arbeitsplätzen durch geplante Großprojekte! Enteignung der großen bäuerlichen Betriebe und kapitalistischen Konzerne – einschließlich jener als gemeinnützige Organisationen getarnter Unternehmen – unter Arbeiterkontrolle!
- Arbeiter- und Volksräte, Arbeiterregierung, gestützt auf die Shoras!
- Sozialistische Föderation West- und Zentralasiens!
Kollektivs Permanente Revolution
Patronsuz Dünya (Türkei)